Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
Quarry auf einem seiner Pferde zu Freds Trailer. Er stieg aus dem Sattel, setzte sich auf einen der aus Beton gegossenen Hocker vor dem Trailer, verteilte Zigaretten, eine Flasche Jim Beam und mehrere Dosen Red Bull, das seine indianischen Freunde so sehr liebten. Dann lauschte Quarry Geschichten aus Freds Jugend in Oklahoma. Dort hatte er im Reservat einen Mann gekannt, von dem er steif und fest behauptete, er sei Geronimos Sohn gewesen.
»Aber da oben lebten doch Cherokee, oder?«, fragte Quarry beiläufig und beobachtete Freds Köter dabei, wie er sich die Geschlechtsteile leckte und sich im Staub wälzte. »Ich dachte, Geronimo war Apache.«
Fred schaute ihn mit einer Mischung aus Schalk und Ernsthaftigkeit an. »Glaubst du, Leute, die aussehen wie du, können Leute auseinanderhalten, die aussehen wie ich?«
Die anderen Indianer lachten. Quarry schüttelte den Kopf und grinste. »Warum bist du eigentlich wieder hierher zurückgekommen?«, fragte er. »Du hast mir nie den Grund verraten.«
Fred breitete die kurzen Arme aus. »Das hier ist Coushatta-Land. Ich wollte bloß nach Hause.«
Quarry wollte ihm entgegnen, das sei kein Coushatta-Land, sondern gutes, altes, amerikanisches Quarry-Land, aber er mochte den Mann. Er besuchte ihn gerne und hörte sich gerne seine Geschichten an.
Quarry grinste wieder und hob sein Bier. »Auf die Heimkehr.«
»Auf die Heimkehr«, fielen die Indianer ein.
Ein paar Minuten später gingen sie alle hinein, um den Moskitos zu entkommen und noch auf ein paar andere unsinnige Dinge zu trinken. Einer der Coushatta schaltete den Fernseher an, drehte am Einstellknopf, und das Bild wurde klar. Die Nachrichten liefen. Quarry nippte an seinem Drink und richtete den Blick auf das Gerät. Auf Freds Geplapper hörte er nicht mehr.
Willas Entführung war die Hauptstory. Gerade waren neue Informationen bekannt gegeben geworden. Von irgendwo war durchgesickert, dass einige Beweise vom Tatort der Öffentlichkeit nicht enthüllt worden waren. Quarry richtete sich auf, als der Nachrichtensprecher sagte, um was für Beweise es sich dabei handelte: Eine Schrift auf den Armen der toten Frau; Buchstaben, die keinen Sinn ergaben. Doch die Polizei ermittelte auch in dieser Richtung.
Quarry sprang aus dem Trailer und erschreckte den alten Hund dabei so sehr, dass er zu winseln begann und den Schwanz einzog. Fred kam gerade noch rechtzeitig an die Tür, um zu sehen, wie Quarry sich auf sein Pferd schwang, um nach Atlee zurückzureiten. Fred schüttelte den Kopf, murmelte etwas von wegen »verrückte Weiße« vor sich hin und schloss die Tür des Trailers.
Quarry traf Daryl allein in der Scheune an. Der junge Mann beobachtete ungläubig, wie sein alter Herr auf ihn zurannte wie ein Footballstürmer. Quarry rammte seinen Sohn gegen die Wand und drückte ihm den Arm auf den Hals.
»Du hast ihr irgendwas auf die Arme geschrieben!«, brüllte Quarry.
»Was ...?«, keuchte Daryl.
»Du hast ihr was auf die Arme geschrieben! Was war das?«
»Lass ... Lass mich los, und ich sag's dir.«
Quarry trat einen Schritt zurück, nachdem er seinem Sohn noch einen harten Stoß versetzt hatte, der ihn erneut gegen die Wand warf. Keuchend erzählte Daryl seinem Vater, was er getan hatte.
»Warum hast du das getan?«, wollte Quarry wissen.
»Als die Lady tot war, habe ich Angst bekommen. Ich dachte, wir sollten sie auf eine falsche Fährte führen.«
»Was du getan hast, Junge, war dumm, saudumm!«
»Tut mir leid, Daddy.«
»Und ob es dir leidtun wird.«
»Aber so, wie ich es geschrieben habe, werden sie es nie herausfinden.«
»Sag mir genau, wie du es geschrieben hast.«
Daryl nahm einen alten Landwirtschaftskatalog von der Werkbank, riss eine Seite heraus und schrieb die Buchstaben darauf.
Quarry nahm das Papier und las.
»Siehst du, Daddy? Für sie ist das nur Unsinn, stimmt's? Du aber weißt, was da steht, nicht wahr?«
»Natürlich weiß ich, was da steht«, stieß Quarry hervor. Er ging hinaus und starrte zum Himmel. Es war noch nicht dunkel, doch die untergehende Sonne färbte die Wolken rot. Quarry bemerkte nicht, dass Daryl ihm folgte und ihn mit einer Miene anschaute, die erkennen ließ, dass er auf Anerkennung für seinen Trick hoffte. Es war der gleiche flehentliche Blick, mit dem auch Quarry seine Mutter auf deren Totenbett bedacht hatte, aber das wusste Daryl nicht.
Quarry entzündete ein Streichholz und verbrannte das Papier. Er schaute zu, wie die Asche davonsegelte und ein paar Schritte
Weitere Kostenlose Bücher