Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
trocken, doch irgendwie brachte sie hervor: »Wenn Sie meinen Wagen und mein Geld wollen, können Sie es haben. Nur tun Sie mir bitte nichts.«
Der Mann ließ sich nicht beirren. »Raus.« Wieder drückte er Diane die Pistolenmündung in den Nacken. Ein Haar verfing sich an der Kimme und wurde mit der Wurzel ausgerissen. Tränen rannen Diane übers Gesicht. Sie öffnete die Wagentür und wollte aussteigen, die Handtasche fest umklammert, als plötzlich behandschuhte Finger ihren Arm packten.
»Die Tasche brauchst du nicht.«
Diane schloss die Tür hinter sich.
Als der Mann ebenfalls ausstieg, verließ sie der Mut. Sie hatte so sehr gehofft, der Kerl würde ihr nur den Honda stehlen, nicht aber das Leben.
Der Mann war schon älter und hatte dichtes, langes weißes Haar, das verschwitzt und schmutzig aussah. Sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt, voller Furchen und Gräben. Er war groß und kräftig, mit breiten Schultern und riesigen, schwieligen Händen. Er wog bestimmt mehr als zweihundert Pfund. Wie ein Turm ragte er über der zierlichen Diane auf. Selbst mit Waffe hätte sie kaum eine Chance gegen ihn gehabt. Er hielt die Pistole genau auf ihren Kopf gerichtet.
Dass er keine Maske trug, machte Diane die meiste Angst. Sie konnte sein Gesicht deutlich sehen. Es ist ihm egal, ob ich weiß, wer er ist, schoss es ihr durch den Kopf. Er wird mich vergewaltigen und umbringen und hier draußen liegen lassen.
Diane begann zu schluchzen. »Bitte, tun Sie es nicht«, flehte sie und trat einen Schritt vor, zuckte aber zurück, als ein anderer Mann von hinten an sie herantrat und sie an der Schulter berührte. Sie schrie auf und fuhr herum. Der Neuankömmling war klein und drahtig und besaß ein Latinogesicht. Doch Diane registrierte es kaum, denn der Mann hob einen Kanister, und ein dichter Nebel traf sie mitten ins Gesicht.
Würgend wankte Diane einen Schritt zurück und rang nach Atem. Nach wenigen Augenblicken verlor sie das Bewusstsein und sank in den Armen des Hünen zusammen.
Die Männer steckten Diane in den Laderaum eines gemieteten Vans, der in der Nähe stand, und fuhren davon.
4.
D ie Gesetzeshüter waren in beeindruckender Stärke angerückt. Sean und Michelle, die am Rand des von Fichtennadeln übersäten Hofes standen, beobachteten, wie Polizisten und Kriminaltechniker über das Haus der Duttons herfielen wie Ameisen über einen Kadaver - in gewisser Hinsicht eine perfekte Analogie.
Rettungswagen hatten die überlebenden Angehörigen der Familie Dutton bereits ins Krankenhaus gebracht, während Mrs. Dutton noch immer drinnen lag. Der einzige Arzt, den sie noch sehen würde, war der Leichenbeschauer, und der würde ihren Körper noch mehr zerlegen, als ihr Mörder es getan hatte.
Sean und Michelle waren bereits drei Mal vernommen worden, zuerst von uniformierten Beamten, dann von Detectives der Mordkommission. Immer wieder hatten sie detaillierte Antworten gegeben. Nun waren ganze Notizbücher voll mit ihren Schilderungen der schrecklichen Ereignisse dieser Nacht.
Michelle richtete ihre Aufmerksamkeit auf zwei schwarze Limousinen in der Auffahrt. Als Männer und Frauen in Zivil aus den Wagen stiegen, fragte sie Sean: »Was macht das FBI hier?«
»Habe ich das nicht schon gesagt? Tuck Dutton ist der Bruder der First Lady.«
»First Lady? Du meinst Jane Cox, die Frau des Präsidenten?«
Sean nickte.
»Also wurde die Schwägerin der First Lady ermordet und ihre Nichte entführt?«
»Volltreffer«, sagte Sean. »Die Übertragungswagen der Fernsehleute müssten gleich hier sein. Unsere Standardantwort lautet ›kein Kommentar‹, klar?«
»Klar. Dann wollte Pam Dutton uns anheuern? Warum? Hast du eine Ahnung?«
»Nein.«
Sean und Michelle beobachteten, wie die FBI-Leute mit den Polizisten sprachen und anschließend im Haus verschwanden. Zehn Minuten später kamen sie wieder zum Vorschein und hielten auf Sean und Michelle zu.
»Die sehen nicht gerade glücklich aus, dass wir hier sind«, bemerkte Michelle.
Und so war es auch. Die FBI-Agenten wollten nicht glauben, dass Pam Dutton die beiden Privatdetektive herbestellt hatte, ohne dass diese den Grund dafür kannten.
Sean wiederholte zum vierten Mal: »Ich sagte doch schon, ich bin ein Freund der Familie. Pam hat mich angerufen und mich um ein Treffen gebeten. Ich hatte keine Ahnung, worum es ging. Um das herauszufinden, sind wir hier.«
»Um diese Uhrzeit?«
»Pam hat die Zeit festgelegt, nicht ich.«
»Wenn Sie den Duttons wirklich so
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