Sebastian
ist es nicht das Richtige, das Richtige zu tun.«
»So«, sagte Nadia und hielt den Wellensittich mit beiden Händen fest. »Es wird Zeit, dass er wieder in seinen Käfig geht.«
»Oh«, meinte Lynnea. Es war leichter gewesen, Nadia von ihrem Leben bei Mutter, Vater und Ewan zu erzählen, während sie den Vogel anschaute. Viel leichter, zuzugeben, was Vater versucht hatte und wie man sie dann fortschicken wollte. Als sie Nadia von dem Wasser und dem Sand erzählte, hatten die Hände der älteren Frau gezittert. Doch erst, als sie über Sebastian sprach und über die Stunden, in denen er sie zur Löwin gemacht hatte, geriet ihre Stimme ins Stocken.
Aber selbst Sebastian versuchte, sie fortzuschicken. Er wollte, dass sie in den Heiligen Stätten blieb. Er hatte nicht mit ihr gestritten, als sie ihm gesagt hatte, sie wolle ihn zum Haus seiner Tante begleiten, aber er hatte deutlich gemacht, dass er nicht wollte, dass sie mit ihm in den Pfuhl zurückkehrte.
»Nun ja«, sagte Nadia als sie zum Tisch zurückkehrte, »die Frage ist: Was willst du, Lynnea?«
Ich will Sebastian. »Ich verstehe nicht.«
»Du bist frei von dem Leben, das du geführt hast. Du hast die Möglichkeit, neu anzufangen. Wo würdest du gerne hingehen?«
»Ich möchte zurück in den Pfuhl.« Darüber musste sie nicht nachdenken. Es war ein dunkler Ort, ein seltsamer Ort, aber sie fühlte sich dort sicher. »Aber Sebastian will nicht -«
»Schätzchen, natürlich will Sebastian. Deswegen ist er vollkommen verwirrt, was dich betrifft.« Nadia lächelte. »Verstehst du denn nicht? Wenn du nicht mehr wärst als eine Frau, die seinen Körper erregt, wäre er mittlerweile längst dein Liebhaber.«
»Aber er weiß, dass ich nicht... dass ich noch nicht...«
»Er ist ein Inkubus. Das hätte ihm rein gar nichts ausgemacht. Aber du hast mehr getan, als seinen Körper zu reizen, Lynnea. Du hast sein Herz berührt, und das ist etwas, von dem ich schon lange hoffe, dass es ihm widerfährt.« Nadia tätschelte Lynneas Hand. »Für dich ist das frustrierend, ich weiß, und für ihn ist es wahrscheinlich doppelt so schlimm.«
»Er will trotzdem nicht, dass ich zurück in den Pfuhl gehe.«
»Das ist nicht seine Entscheidung, oder?«
Lynnea blickte Nadia an. Man hatte ihr immer gesagt, wo sie hingehen und was sie tun sollte. »Aber -«
»Dein Leben, deine Reise, deine Entscheidung. Deine Gelegenheit.« Nadia lehnte sich zurück. »Hast du jemals eine Münze in einen Wunschbrunnen geworfen?«
»Einmal. Nur einen Pfennig.«
»Der Wert spielt keine Rolle«, sagte Nadia. »Sondern nur, ob der Wunsch aus tiefstem Herzen stammt oder nicht.«
»Aber es ist nichts passiert.«
»Oh? Und wie genau, denkst du, funktioniert ein Wunschbrunnen?«
»Man nimmt eine Münze, wünscht sich etwas, wirft die Münze den Wächtern zur Ehre in den Brunnen. Und dann, wenn man es verdient hat, geht der Wunsch in Erfüllung.«
Nadia seufzte. »Ja, ich denke, so stellen es sich wohl die meisten Menschen vor. So funktioniert es auch wirklich. Man wünscht sich etwas und wirft eine Münze in den Brunnen, um zu zeigen, dass man die Absicht hat, in seinem Leben etwas zu erreichen. Und was macht man dann?«
Lynnea schüttelte den Kopf, um zu sagen, dass sie es nicht wüsste.
In Nadias Stimme mischte sich die Schärfe der Ungeduld. »Man krempelt die Ärmel hoch und arbeitet daran, dass es Wirklichkeit wird.«
»Aber ich weiß nicht, wie ich es Wirklichkeit werden lassen soll!«
»Gelegenheit und Entscheidung, Lynnea. Was das Herz wirklich begehrt, kommt nicht über Nacht, und es kommt auch nicht immer so, wie du es dir vorgestellt hast.«
Lynnea biss auf ihrem Daumennagel herum. »Vielleicht könnte ich im Pfuhl Arbeit finden. Vielleicht könnte ich für Philo arbeiten. Ich kann kochen und backen. Ich kann putzen und Geschirr spülen. Ich müsste nur einen Ort finden, an dem ich wohnen kann.«
»Ich glaube nicht, dass das ein Problem sein wird«, sagte Nadia trocken. Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Ich ziehe wohl besser mal etwas unter dieses Kleid, bevor ich meinen Neffen in noch größeres Entsetzen stürze, als ich es ohnehin schon getan habe. Dann, denke ich, ist es an der Zeit, herauszufinden, warum Sebastian hierher gekommen ist.«
Dank allen Bewahrern des Lichts, dachte Sebastian, als er Nadia und Lynnea aus dem Haus gehen sah. Nadia hatte etwas unter ihr Kleid gezogen. Er hatte bereits mehr von seiner Tante gesehen, als ihm lieb war.
»Jeb?«, rief
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