Sebastian
schwerfällig und nahm ihre Hand. »Einen kurzen Spaziergang.«
Sie führte ihn durch die Gärten und spürte, wie er begann, sich zu entspannen, als er erkannte, wo sie ihn hinbrachte.
Lee mochte vielleicht kein Zuhause haben, aber er hatte immerhin einen Ort, der ihm gehörte.
Ein Fluss trennte die Gärten vom dahinter liegenden offenen Land. An zwei Stellen überspannten Brücken das Wasser und dienten als Zugang zu diesem weiten Grün. Eine dritte Brücke führte zu einer kleinen Insel, geformt vom Strom, der sich um dieses grob kreisförmige Stück Land teilte. Bäume wachten über den Steinkreis, der das Herz des kleinen Ortes in sich barg.
Hier blühten keine Blumen. Hier herrschte Stille, der Frieden im Herzen eines Waldes. Im Licht, das vereinzelt durch die Blätter fiel, wuchsen Farne, und in der Mitte stand der Brunnen - eine Schüssel aus schwarzem Stein, gespeist aus einem ausgehöhlten Schilfrohr. Der Mechanismus, mit dem das Wasser vom Fluss zum Brunnen gebracht wurde, war geschickt versteckt, genauso wie das Rohr, das dem Fluss das Wasser zurückbrachte. Eine Bank lud dazu ein, sich hinzusetzen und zu verweilen, dem Gesang von Wasser und Stein zu lauschen, im Grün der Stille Atem zu schöpfen.
Die Menschen der verschiedenen Orte des Lichts hatten ihr geholfen, diesen Ort als Zufluchtsstätte zu erschaffen, aber die kleine Insel hatte von dem Moment an, in dem Lee einen Fuß in den Steinkreis gesetzt hatte, seine Resonanz getragen.
Und es war dieser Ort, den er über jede andere Landschaft legen konnte. Ein sicherer Ort, denn wenn er ihn bewegte, existierte er nirgendwo, außer auf der Brücke seines Willens, aber er war trotzdem in den Heiligen Stätten verwurzelt. Er konnte durch die Bäume schreiten und sehen, was hinter ihnen lag, aber die Augen eines anderen konnten die Insel nicht erblicken. Allein das Herz konnte sie finden, wenn sie über einer anderen Landschaft lag.
Sie ließen sich auf der Bank nieder und lauschten eine Weile dem Wasser und schöpften Atem im Grün der Stille.
Schließlich sagte Glorianna: »Heute wirst du etwas essen und dich ausruhen. Morgen gehen wir auf meine Insel und laufen durch die Gärten, und wir werden überlegen, wie wir Ephemera schützen können.«
Lee stand auf und entfernte sich ein paar Schritte von der Bank. »Und was, wenn der Weltenfresser über eine Brücke, die ich irgendwo übersehen habe, einen Weg in diese Landschaften findet? Oder über eine Resonanzbrücke an einem Ort, den ich nicht erreichen kann?«
»Dann werden wir uns ihm entgegenstellen.«
»Du meinst, du wirst dich ihm entgegenstellen. Darauf läuft es doch hinaus, oder nicht?«
Das tat es, aber er war ohnehin schon so besorgt, und sie würde nicht zulassen, dass er sich etwas vorwarf, an dem er keine Schuld trug.
Sie ging zu ihm hinüber und legte eine Hand auf seine Wange. »Wir nehmen jeden Tag, so wie er kommt, und wenn wir den Weltenfresser nicht vernichten können, werden wir einen Weg finden, ihn wieder in seinen eigenen Landschaften einzuschließen.«
Er legte ihr die Hände auf die Schultern. »Versprichst du mir, vorsichtig zu bleiben?«
»Ich gebe keine Versprechen, von denen ich nicht weiß, ob ich sie halten kann.«
Seine Augen blickten düster, als er sie in die Arme schloss. »Ich weiß. Deshalb hatte ich gehofft, dieses Versprechen könntest du mir geben.«
Hand in Hand verließen Lynnea und Sebastian das Bordell und liefen gemächlich zu Philos Restaurant.
Er vermisste sein Cottage, vermisste es, selbst Kaffee zu kochen, wenn er aufwachte, vermisste es, sich eine einfache Mahlzeit zuzubereiten, die er in Ruhe essen konnte.
»Wir könnten im Bordell essen, wenn du das lieber möchtest«, sagte Sebastian.
»Wenn du das wollen würdest, hättest du es früher erwähnt«, antwortete Lynnea.
Er zuckte mit den Schultern. Mahlzeiten im Bordell waren eine weitere Art der Jagd oder Teil der Verführung gewesen. Auch bei Philo war er oft auf Frauenfang gegangen, aber an diesen Tischen hatte er auch schon gesessen, um sich im Gespräch mit ein paar Leuten ein wenig die Zeit zu vertreiben, und so fühlte er sich mit Lynnea dort wohler.
»Die Nacht ist köstlich, nicht wahr?«, fragte Lynnea lächelnd.
Er wünschte, sie würde keine Worte wie »köstlich« benutzen. Sie nur kurz anzusehen, war genug, um in ihm den Wunsch zu wecken, sich die Lippen zu lecken und anzufangen, an ihr herumzuknabbern. »Du bist heiter und fröhlich.«
»Ich hatte letzte Nacht
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