Sebastian
legte den Kopf schief. »Ihr wollt, dass Sebastian die Rolle des Gesetzeshüters übernimmt?«
»Ja«, murmelte Mr Finch. »Genau.«
Sebastian ließ sie widerstrebend los, als sie sich umdrehte, um ihn anzusehen. Ihre blauen Augen sprühten noch immer vor Temperament. »Sie wollten mit dir über den Schutz des Pfuhls sprechen, und du dachtest, sie wollten, dass du gehst. Du Trottel.«
Er jaulte auf, als sie nach oben griff, um seinen Kopf an den Ohren nach unten zu ziehen. Der heftige Kuss auf den Mund war schön, konnte es aber nicht ganz wiedergutmachen, an den Ohren gezogen worden zu sein.
Dann verließ sie den Raum.
»Möchte jemand wetten, dass sie die Gäste dazu bringt, aus Angst das ganze Gemüse aufzuessen?«, fragte Sebastian.
»Die Wette würde ich nicht annehmen«, erwiderte Hastings. »Nicht heute.« Er blickte Sebastian an. »Warum dachtest du, wir wollten dich zum Gehen auffordern?«
»Ich bin ein Zauberer.«
»Rechtsbringer«, korrigierte Mr Finch.
Er musterte die drei Männer. »Meint ihr das Angebot ernst?«
Philo lachte leise. »Ein gefährlicher Inkubus-Zauberer als Gesetzeshüter und Rechtsbringer des Pfuhls. Was könnte besser passen?«
Kapitel Neunzehn
Mit Jeb an ihrer Seite und einer Reisetasche über der Schulter lief Nadia die Hauptstraße des Sündenpfuhls entlang. Dabei beschwerte sie sich darüber, wie albern dieser Besuch war, während sie den mitgebrachten Korb von einer Hand in die andere nahm. Immer wieder ertönten plötzlich Musik und Stimmengewirr, wenn sich die Türen der Tavernen und Varietétheater öffneten und schlossen. Die farbigen Lampenglocken der Straßenlaternen verliehen dem Licht etwas Festliches, anstatt für einfache Beleuchtung zu sorgen. Es ließ sie an den spätabendlichen Teil eines Erntefestes denken - die Zelte und Buden, deren Existenz die meisten Besucher eines Festes nicht wahrnahmen. Es herrschte eine aufgeladene Stimmung, und die Niedertracht, die in der Resonanz mitschwang, reichte aus, um sich an dem Samenkorn des Zweifels zu reiben, das sich während der letzten Tage in ihrem Herzen eingenistet hatte.
»Ich verstehe nicht, warum wir das nicht im Cottage lassen konnten«, murrte Jeb.
»Es sah nicht so aus, als wohne jemand im Cottage«, erwiderte Nadia und versuchte, die Unruhe zu ignorieren, die sie befallen hatte, als sie feststellen musste, dass Sebastian den Ort verlassen hatte, der ihm die letzten zehn Jahre ein Zuhause gewesen war. »Ich möchte sehen, wie es Lynnea geht, das ist alles. Und ich wollte mir den Pfuhl anschauen.«
»Es gibt ihn jetzt seit ein paar Jahren«, sagte Jeb und sah sie mit der Aufmerksamkeit eines Mannes an, der in den letzten Nächten zu oft durch böse Träume geweckt worden war. »Gibt es einen Grund, warum du das Bedürfnis verspürst, ihn jetzt anzusehen?«
Zahllose Gründe. Aber diese Worte würde sie nicht laut aussprechen, würde ihnen nicht einmal so viel Bedeutung zugestehen. Fünfzehn Jahre lang hatte sie den unerschütterlichen Glauben aufrechterhalten, dass Glorianna keine todbringende, gefährliche Kreatur war, wie die Zauberer behaupteten. Als Glorianna den Sündenpfuhl erschaffen und somit verändert hatte, wie Ephemeras Landschaften ineinander übergingen, hatte Nadia darauf vertraut, dass ihre Tochter, die über eine solch außergewöhnliche Begabung verfügte, eine Notwendigkeit gesehen hatte, die den anderen Landschafferinnen verborgen geblieben war.
Fünfzehn Jahre lang hatte sie Glorianna vertraut, denn weniger zu tun, hätte Gloriannas Glauben daran, dass sie die Unterstützung ihrer Mutter besaß, vielleicht erschüttert - und Glorianna war bereits zu alleine auf der Welt. Jetzt höhlte das kleine Körnchen Zweifel dieses Vertrauen aus, und sie musste selbst sehen, musste wissen, was für eine dunkle Landschaft mit diesem Ort geschaffen worden war.
»Zum ersten Mal hier?«, fragte eine Stimme und riss Nadia damit aus ihren Gedanken.
Der blonde Mann, der sie ansah, hatte das selbstbewusste Grinsen eines Unruhestifters, aber als sie sich ihm weit genug genähert hatte, entdeckte sie ängstliche Vorsicht in seinen blauen Augen.
»Was bringt Euch darauf, dass wir zum ersten Mal hier sind?«, fragte Jeb herausfordernd.
Das selbstbewusste Grinsen bekam etwas Hinterhältiges. »Ihr seht so aus. Also …«
Diese blauen Augen waren die ganze Zeit über auf ihr Gesicht gerichtet, aber sie hätte schwören können, dass jemand sie gestreichelt hatte, von den Brüsten bis zur Hüfte,
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