Sebastian
Laterne barg.
Lee schwang ein Bein über das eine Ende der Bank und setzte sich, Sebastian tat es ihm gleich und ließ sich rittlings auf dem gegenüberliegenden Ende der Bank nieder.
Auf einer der anderen Inseln brachte ein Lufthauch Windspiele zum klingen, und die klaren Töne vermischten sich mit dem Rascheln der Blätter und dem schläfrigen Plätschern des Wassers, das an den Ufern der Inseln leckte.
Sebastian schloss die Augen. Die Geräusche trugen ihn fort, drängten ihn, seinen Ärger loszulassen und sich wieder in die Decke des Friedens zu hüllen.
Dann bewegte Lee sich, als er die Laterne beiseite stellte. Das leise Geräusch störte den Klang der Blätter, der Windspiele und des Wassers nicht, aber es reichte aus, um Sebastian seinen Zorn wieder in Erinnerung zu rufen - und diesmal hielt er ihn fest.
»Ich habe die Tafel an Gloriannas Garten gesehen«, sagte Sebastian. »Ich habe das Datum gesehen. Es war kurz nachdem sie den Pfuhl erschaffen hatte, habe ich recht? Habe ich recht?«
»Was wäre wenn?«, entgegnete Lee.
»Verdammt, Lee! Sie war fünfzehn Jahre alt und wurde aus der Gemeinschaft verstoßen, weil sie den Pfuhl erschaffen hatte!«
»Nein, sie wurde ausgestoßen, weil sie entkommen ist, als man sie in ihrem Garten einschließen wollte, und als die Zauberer und die Lehrer das bemerkten, war sie bereits in den Landschaften verschwunden.«
Sebastian nickte mit dem Kopf. Nicht, um zuzustimmen, sondern nur um zu zeigen, dass er verstanden hatte. »Also bestand das Verbrechen, das schwer genug war, um eingeschlossen zu werden, darin, dass sie einen Ort erschaffen hat, der den Namen Sündenpfuhl trägt. Für mich.«
»Du bist nicht der Einzige, der im Pfuhl lebt«, entgegnete Lee.
»Aber ich war der Grund, aus dem sie ihn erschaffen hat. Sie hat diesen Ort ins Leben gerufen, damit ich ein Zuhause habe.«
»Ob das stimmt oder nicht, spielt keine Rolle«, sagte Lee mit scharfer Stimme. »Sie haben nie von dir gewusst. Die Lehrer haben nie gefragt, warum sie den Pfuhl erschaffen hat, und Glorianna hat es ihnen nie erzählt. Ich bezweifle, dass heute jemand von ihnen weiß, warum sie die Landschaften verändert hat, um den Pfuhl zu schaffen.«
»Also hast du dich entschieden, mir nicht zu sagen, dass Glorianna ihre Zukunft um meinetwillen geopfert hat.«
»Gib nicht mir die Schuld«, fuhr Lee ihn an. »Als ich herausgefunden habe, was geschehen war, war es bereits zwei Jahre zu spät, um noch etwas daran zu ändern. Was hättest du tun können, Sebastian? Ich war fünfzehn; du warst siebzehn. Was hätte einer von uns tun können? Die Zauberer hatten sie verurteilt. Die anderen Landschafferinnen hatten sie ausgestoßen. Alles was ich tun konnte, war meine Ausbildung so schnell wie möglich zu Ende zu bringen, um in der Lage zu sein, ihr als Brückenbauer zu helfen, denn du kannst dir verdammt sicher sein, dass niemand anderes es wissentlich tun würde. Und ich musste vorsichtig sein, immerzu, weil ich Gloriannas Bruder war und sie mich ständig beobachteten, um zu sehen, ob meine Gabe irgendwelche ungewollten … Ausprägungen zeigt.«
»Wie zum Beispiel die Fähigkeit, eine Landschaft über eine andere zu legen?«
»Genau. Nur meine Familie weiß davon.«
Sebastian zögerte, nahm die Bedeutung dessen auf, was Lee gerade im Zorn gesagt hatte. Als Lee ihm von seiner seltenen Fähigkeit erzählt hatte, war er sich bewusst gewesen, dass sein Cousin etwas sehr Intimes mit ihm teilte, aber er hatte nicht erkannt, wie viel Vertrauen Lee ihm damit entgegenbrachte.
Etwas, das nur meine Familie von mir weiß.
Und er hatte auch nicht erkannt, wie schwierig die Jahre an der Schule für Lee gewesen sein mussten. »Warum bist du geblieben?«
»Weil ich die formale Ausbildung brauchte. Oh, nicht dass ich viel von dem Wissen benötigte. Als wir noch Kinder waren, habe ich beim Spielen mit Glorianna mehr gelernt als in den ersten drei Jahren in der Schule. Aber wenn ich die formale Ausbildung nicht durchlaufen hätte, um zu beweisen, dass mein Talent keine potentielle Gefahr für Ephemera darstellt, wäre auch ich zum Ausgestoßenen erklärt worden, und das hätte Mutter und Glorianna gar nichts genutzt.«
Sebastian ließ den Kopf hängen. »Es tut mir leid, dass ihr es alle so schwer hattet, dass Gloriannas Leben so verlaufen ist … meinetwegen.«
»Es war nicht deine Schuld, also hör auf, dich selbst zu bemitleiden.«
Das traf sowohl seinen Zorn als auch seinen Stolz. Er hob den Kopf und sah
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