Sebastian
auch nicht.
»Ich habe dir die Familiengeheimnisse erzählt«, sagte Nadia sanft. »Dinge, die ich deinem Vater nie erzählt habe. Wir können unsere Blutlinie bis zu den ersten Landschafferinnen zurückverfolgen, die Wächter der Herzen waren. In menschlicher Gestalt, aber nicht menschlich. Sie hatten eine so starke Verbindung zu Ephemera, dass sie die Landschaften verändern konnten, dass sie die Welt selbst verändern konnten.«
»Wie ich«, flüsterte Glorianna.
»Wie du.«
Nadia stand auf, durchstöberte die Schränke und kam dann mit einer Flasche Branntwein und zwei Gläsern an den Tisch zurück. Sie füllte die Gläser und stellte eines neben Gloriannas Hand. Dann stürzte sie die Hälfte ihres Glases herunter, bevor sie sich wieder hinsetzte.
»Ich habe keine Heiratsurkunde«, sagte Nadia. »Ich wollte eine haben, aber Peter meinte, es sei genug, wenn wir im Herzen verheiratet wären. Und ich habe ihn genug geliebt, um mich damit zufrieden zu geben. Selbst als ich mit dir schwanger ging, hat er sich geweigert, eine offizielle Heirat in Betracht zu ziehen. Aber er erzählte mir ein Geheimnis der Zauberer.
Es war und ist den Zauberern nicht gestattet, eine körperliche Beziehung mit einer Landschafferin einzugehen. Wenn der Rat der Zauberer herausgefunden hätte, dass er mit mir zusammen war und ich sein Kind trug, welches das Blut der Zauberer mit dem der Landschafferinnen vereint, hätten sie ihn im besten Falle bestraft. Im schlimmsten Falle hätten sie uns beide in einer dunklen Landschaft eingeschlossen.
Er hat dich geliebt, Glorianna, aber gleichzeitig hatte er schreckliche Angst vor dir.«
Glorianna befeuchtete ihre Lippen, die so trocken waren, dass sie sich wund anfühlten. »Wenn die Zauberer die Nachkommen der Wächter der Dunkelheit sind und die Landschafferinnen die Nachkommen der Wächter des Herzens …«
»Bist du die Vereinigung von Licht und Dunkelheit, und du bist die einzige bekannte Landschafferin unserer Zeit, die Landschaften verändern kann. Sie wirklich verändern kann. Ich glaube, dass Landschafferinnen wie du der Grund für das Verbot sind. Die Zauberer wollten dem Licht keine dunkle Macht zurückgeben, weil diese Vereinigung, denke ich, die einzige Art der Macht ist, die den Weltenfresser besiegen kann.«
Glorianna nahm einen Schluck Branntwein. »Ich kann das nicht alleine tun. Denkst du, ich kann allein gegen den Weltenfresser bestehen?«
»Ich weiß es nicht. Kannst du es?«
Die Frage ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Aber ein Gedanke entfaltete sich. »Sebastian«, flüsterte sie.
»Ja«, stimmte Nadia ihr zu. »Sebastian. Der Fehltritt deines Onkels Koltak ist der lebende Beweis, dass die Zauberer und die Sukkuben sich miteinander paaren und Nachkommen zeugen können. Dunkle Macht, die sich mit dunkler Macht paart.«
»Das bedeutet, er könnte ebenso die ganze Macht eines Zauberers als auch die eines Inkubus besitzen.«
»Er trägt den Samen in sich, aber er hat nie Anzeichen einer magischen Begabung an den Tag gelegt. Wenn es so gewesen wäre, hätte der Rat ihn wohl ausgebildet.«
»Aber Koltak ist kein reinblütiger Zauberer.«
Nadia nickte. »Koltak und Peter stammen nicht aus der Stadt der Zauberer. Ich denke, dass die Menschen, die in diese Familie eingeheiratet haben, der Grund sind, aus dem Koltak niemals die Macht erlangt hat, nach der er sich so sehr sehnte. Nicht, wenn es der Rat der Zauberer und ihre handverlesenen Schützlinge sind, die sich mit den Weibchen paaren, um einige der Blutlinien der Wächter der Dunkelheit rein zu halten.«
»Was ist mit Sebastian? Ist er denn überhaupt zu einem Teil menschlich?«
»Zumindest ein wenig.« Nadia hielt inne und seufzte dann. »Im Herzen ist er ein Mensch, Glorianna, auch wenn er nicht länger bereit ist, sich das einzugestehen.«
Erleichterung erfüllte sie. Es würde ihr das Herz brechen, Sebastian zum Feind zu haben.
»Du musst gehen, Tochter. Wenn die Zauberer es schaffen, dich zu finden und zu töten, bleibt uns keine Hoffnung, den Weltenfresser zu besiegen. Du musst dich verstecken, bis du zum Kampf bereit bist.«
»Ich gehe, wenn du mit mir kommst.«
Nadia schüttelte den Kopf. »Ich kann die Landschaften in meiner Obhut nicht im Stich lassen. Nicht jetzt.«
»Mutter -«
Nadia legte ihre Hand auf Gloriannas. »Wir sind nicht die ganze Welt. Vielleicht gibt es andere Landschafferinnen in fernen Ländern, auch wenn man sie dort unter anderem Namen kennt. Ephemera ist an diesen
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