Sebastian
abgelegenen Orten nicht so stark zersplittert wie hier, wo der Kampf der Dunkelheit gegen das Licht ausgefochten wurde. Wir sind nicht die ganze Welt. Sonst hätten Lee und du nicht das Land im Süden entdeckt, in dem die Kaffeebohnen wachsen.«
»Handelsschiffe bringen bereits seit vielen Jahren Kaffeebohnen in die Häfen, die sie anlaufen«, sagte Glorianna.
»Und trotzdem waren diese Bohnen in vielen Landschaften hier unbekannt. Unsere Welt ist groß, und sie ist gleichzeitig sehr klein. Wir sehen nur, was unsere Herzen aushalten können, ob wir nun in ferne Länder segeln oder unser ganzes Leben in dem Dorf verbringen, in dem wir geboren wurden. Aber die Menschen hier leben auf den Knochen des Schlachtfeldes, und die Landschafferinnen, die sich um diesen Teil Ephemeras kümmern, sind vielleicht die Einzigen, die wissen, dass die Schlacht stattgefunden hat - und sie sind die Einzigen, die mit eigenen Augen sehen können, dass unsere Welt wieder zu einem Schlachtfeld werden wird.«
»Also wird der größte Teil Ephemeras es nie erfahren, wenn wir gewinnen. Und wenn wir verlieren …«
»Wird der Weltenfresser in der Lage sein, die Schrecken, die Er geschaffen hat, zu entfesseln und die Welt in ein dunkles Jagdgebiet verwandeln?« Nadia lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und ließ die Hände in den Schoß sinken. »Verzweiflung schuf die Wüsten.«
»Und Hoffnung die Oase. Ich kenne das Sprichwort.«
»Unsere Oase bist du, Glorianna. Ich werde auf mich aufpassen. Und du passt auf Ephemera auf.«
Unglaublich erschöpft nickte Glorianna und schob ihren Stuhl zurück. »Ich gehe.«
»Mögen die Wahrer des Lichts mit dir sein, Tochter.«
Nachdem Nadia die Küchentür aufgeschlossen hatte, schlang Glorianna die Arme um ihre Mutter und drückte sie fest an sich.
»Wir werden uns wiedersehen«, flüsterte sie.
»Du wirst immer in meinem Herzen sein. Du und Lee … und Sebastian.«
Ich bin einfach nur müde, sagte Glorianna sich, als sie über die vertrauten Gartenwege lief und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Nur müde. Und verängstigt. So verängstigt.
Deshalb hatte sie kehrtgemacht, war zu einem bestimmten Ort in Nadias Garten zurückgelaufen und hatte eine kleine Statue in Gestalt einer sitzenden Frau mitgenommen. Sie, Lee und Sebastian hatten einmal den ganzen Sommer über Gelegenheitsarbeiten angenommen, um das Geld für die Statue zu verdienen, die sie Nadia zum Geburtstag schenken wollten. Aus diesem Grund lag die Statue ihrer Mutter am Herzen. Und weil sie ihr am Herzen lag, war sie ein machtvoller Ankerpunkt dieses Ortes.
Nadia würde nicht damit einverstanden sein, dass sie diese zusätzliche Bürde auf sich nahm. Die meisten Landschafferinnen hielten eine Hand voll Landschaften unter ihrer Obhut. Sie kümmerte sich um dreimal so viele. Und sie war dabei, diesen noch ein Dutzend hinzuzufügen. Denn wenn sie die Landschaften einmal verändert und die Grenzen und Grenzlinien verschoben hatte, wären alle Landschaften in Nadias Garten zu einer einzigen in ihrem eigenen geworden. Bis Lee noch mehr Brücken schaffen könnte, wären die Menschen an diesen Orten vom Rest Ephemeras abgeschnitten.
Aber ihre Mutter wäre in Sicherheit
Kapitel Zwölf
Sebastian und Lynnea überquerten die Brücke, welche die Heiligen Stätten mit Nadias Heimatlandschaft verband, und traten hinaus auf eine vom Sonnenlicht überflutete Lichtung.
Sebastian riss einen Arm nach oben und blinzelte die Tränen zurück, die ihm die unerwartete Helligkeit in die Augen trieb.
»Tageslicht«, murmelte er und senkte den Arm ein wenig, damit er mit zusammengekniffenen Augen die Landschaft um sich herum betrachten konnte.
»Ja«, sagte Lynnea und blickte in den Himmel. »Es ist ein schöner Tag, auch wenn es ein wenig bewölkt ist.«
Bewölkt? Das war gar nicht hell?
Das Gesicht noch immer sicher hinter seinem Arm verborgen, schnitt er eine Grimasse. Sie klang schon so, seit sie aufgewacht waren - als ob sie beide auf verschiedenen Seiten des Bettes geschlafen hätten, anstatt einander umschlungen zu halten.
Und würdigte sie die Tatsache, dass er sich von ihr gelöst hatte, anstatt sich auf sie zu legen und den Hunger zu stillen, den sie in ihm weckte? Nein, offensichtlich tat sie das nicht.
Und wie sie seine Unterwäsche aus dem Bündel gezogen hatte, zwischen Daumen und Zeigefinger, als ob sie nicht sauber, sondern mit wer weiß was überzogen wäre - und seine Slips dann seine »Unaussprechlichen« genannt hatte.
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