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Sechs Brüder wie wir

Sechs Brüder wie wir

Titel: Sechs Brüder wie wir
Autoren: Ravensburger
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unseren Betten, die Decken bis zum Kinn hochgezogen und die Augen fest geschlossen. Aber unsere Herzen klopften rasend schnell.
    „Die armen Kleinen“, murmelte Papa zärtlich, als er uns so schlafen sah. „Der Umzug und die Fahrt in die Ferien haben sie völlig geschafft.“
    „Eine Nacht in der guten, frischen Landluft und sie sind wieder auf dem Damm“, sagte Oma Jeannette. „Kinder brauchen gar nicht viel, weißt du, gesunder Menschenverstand und ein paar Erziehungsprinzipien reichen völlig aus.“
    „Ja, Schwiegermama“, meinte Papa resigniert und schloss sachte die Tür.
    Unser neues Ferienhaus war riesengroß: Es gab eine lange Zimmerflucht mit einem alten, unter den Fußsohlen eiskalten Parkettboden und Fenstern, die so hoch waren, dass Papa auf eine Leiter steigen musste, um die Fensterläden in unserem Schlafzimmer zuzuklappen. Nach unserem Zimmer kam das von unseren Eltern und von Jean Sechs, und auf der anderen Seite befand sich die Bibliothek mit einem Kamin und mit alten Tapeten, die in Streifen herunterhingen, als hätten sich Gespenster einen Spaß daraus gemacht, darunterzuschlüpfen, um Verstecken zu spielen.
    Außerdem gab es noch einen großen Salon mit knarzendem Parkett, mächtigen Sesseln, über die Schutzhauben gestülpt waren, und einer sonderbaren Ansammlung von Möbeln sowie weitere Zimmer, die zu nichts zu gebrauchen waren, kleine Kammern und viele Winkel voller Staub, in denen es so roch, als sei dort schon sehr lange nicht mehr gelüftet worden.
    Mama war bei unserer Ankunft zu einer Salzsäule erstarrt und mit dem Zeigefinger misstrauisch über die Möbel gefahren, bevor sie ihre Handtasche abgestellt hatte.
    Mama hasst Staub und ungelüftete Zimmer und alte Häuser auf dem Land.
    Allerdings muss man dazusagen, dass in der Nacht wohl immer alles etwas düster und unheimlich wirkt. Am nächsten Morgen entdeckten wir dann nämlich, was das Haus an wunderbaren Überraschungen für uns bereithielt. Die schönste Sommersonne blinzelte durch die Fensterläden, als Jean Eins und ich aufwachten.
    Die Mittleren und Jean Fünf schliefen noch. Opa Jean wartete in der Küche auf uns, wo er im Herd schon ein Holzfeuer gemacht und das Weißbrot vom Vortag auf der Herdplatte geröstet hatte.
    „Na, meine beiden Großen“, begrüßte er uns, „gut geschlafen?“
    „Super“, sagte Jean Eins. „Bloß dass Jean Zwei wie ein Sägewerk schnarcht, und außerdem hatte ich dauernd seine Füße im Gesicht.“
    „Stimmt gar nicht“, entgegnete ich.
    „Was haltet ihr von einem Frühstück unter Männern?“, schlug Opa vor.
    Ich liebe Opa Jean. Bei ihm dürfen wir Milchkaffee trinken und unsere Marmeladenbrote darin eintunken. Er hatte Honig auf den Tisch gestellt, Gläser mit selbst gemachter Marmelade und eine Schale mit kleinen gelben Pflaumen, von denen man Durchfall bekommt, wenn man davon zu viele isst.
    „Wer will geräucherten Schinken?“, fragte er. „Ein hart gekochtes Ei? Ich hab die Eier heute Früh ganz frisch vom Bauernhof nebenan geholt. In eurem Alter ist es wichtig, dass ihr ein kräftiges Frühstück bekommt.“
    Man hätte glauben können, es handle sich um ein Picknick bei den Fünf Freunden , nicht um ein Frühstück zu Hause. Als wir uns den Bauch vollgeschlagen hatten, ging Opa Jean mit uns zur Abstellkammer unter der Treppe, wo die Gummistiefel verstaut waren. Die Gummistiefel waren so groß, dass wir sie über die Hausschuhe anziehen konnten.
    Jeder von uns suchte sich ein passendes Paar aus und dann sagte Opa Jean: „Kommt mit. Weil ihr als Erste wach geworden seid, zeig ich euch jetzt was.“
    Durch die Hintertür sind wir mit ihm in den Garten hinaus.
    Das Gras war noch nass vom Tau und auf den Feldern lagen Nebelschleier. In unseren quietschenden Gummistiefeln gingen wir um das Haus herum und in den Schuppen hinein, in dem Opa Jean seinen Traktor geparkt hatte.
    „Ihr dürft keinen Lärm machen“, sagte er und legte den Zeigefinger auf den Mund.
    Er näherte sich den Holzbrettern, die an die Wand gelehnt waren, nahm eines davon vorsichtig fort und winkte uns, dass wir uns neben ihn kauern sollten.
    Hinter den Brettern befand sich eine mit alten Lumpen ausgelegte Kiste. Und darin eine sehr magere, kleine, karamellfarbene Katze, die uns anschaute. Sie säugte zwei winzige Kätzchen, die kaum größer als Kastanienschalen waren!
    „Sind sie nicht niedlich?“, fragte Opa Jean. „Ich habe sie Erstes und Zweites Programm genannt, weil sie schwarz-weiß wie das
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