Sechs Richtige (German Edition)
schön angefangen. Nach Einbruch der Dunkelheit waren sie losgesegelt, der Mond hatte geschienen und alles war wunderbar gewesen. Jan hatte so etwas noch nie erlebt. Der Himmel war klar, die Herbstluft kühl, und die Sterne leuchteten so intensiv, wie er es noch nicht gesehen hatte – möglicherweise lag das daran, dass er sich für Sterne und das Meer und das Segeln vorher noch nicht interessiert hatte.
Es war einfach nur geil gewesen.
Und dann hatte es einen Schlag gegeben, den er vorher auch noch nie erlebt hatte. Fridtjof und er wurden hochgeschleudert, das Boot kippte zur Seite, Holz knirschte, und eine Art Wasserfall spritzte übers Deck.
«Verdammt, was ist das?», hatte Jan, der sich an der Reling hatte festhalten können, gefragt.
Das Boot war irgendwo aufgelaufen, bewegte sich aber trotzdem, und irgendwas unter ihnen machte komische Geräusche, tauchte wieder unter, kam wieder hoch und immer wieder klatschten Wassermassen auf sie nieder.
«Ich glaube …», hatte Fridtjof irritiert gesagt. «Ich glaube …»
«Ja, was glaubst du denn?»
«Ich glaube, das ist ein Wal», hatte Fridtjof gesagt, und als ob der Wal das gehört hätte, war er aus dem Meer getaucht und hatte mit seiner immensen Kraft das Boot nach oben geschleudert.
«Scheiße, Jan, ich glaube, wir stecken mit dem Kiel in einem Wal!», rief Fridtjof verzweifelt.
«Was willst du denn damit sagen?», brüllte Jan zurück.
«Dass wir mit dem Kiel in einem Wal stecken!»
«Ich hab dich, ich hab dich.» Bonnie und Lilly sahen aus wie professionelle Bergsteiger. Sie hatten sich perfekt ausgestattet, trugen Gurte und hatten Grubenlampen auf dem Kopf und natürlich den Brief vom Opa dabei sowie Proviant. Während alle anderen einschließlich der Eltern vor der Jugendherberge herumgewuselt waren, hatten sie haufenweise Brote geschmiert und Tee gekocht.
Und nun war es so weit. Bonnie hatte sich an der vom Opa beschriebenen Stelle abgeseilt, nachdem sie das Seil mit Hilfe eines Hakens in den Boden gerammt hatten – an einen Hammer hatten sie natürlich auch gedacht –, und nun stand sie auf einem Mauervorsprung und half Lilly, die nach ihr abstieg. Lillys größte Sorge war, dass der Rucksack mit den Nutellabroten verloren gehen könnte, was er aber nicht tat. Sie schauten sich um.
«Wo ist denn nur der Höhleneingang?», fragte Lilly aufgeregt. «Ich glaube, ich muss ein Nutellabrot essen.»
«Jetzt nicht. Gegessen wird später», erklärte Bonnie, die genauso aufgeregt war. Der Vorsprung war nicht gerade breit, und ringsherum war nichts, was darauf schließen ließ, dass hier ein Eingang war.
«Vielleicht hat sich das durch die Erschütterungen von den Bomben im Krieg alles ein bisschen verschoben», überlegte Lilly, die ja unglaublich viel über diese ganzen Vorkommnisse gelesen hatte.
«Das ist möglich», nickte Bonnie. «Lass uns ein bisschen nach rechts gehen, da geht es ein Stück runter. Aber halt dich fest.»
«Ojemine, ojemine», jammerte Lilly und zwang sich, nicht nach oben zu schauen. Sie hangelten sich an der Felswand entlang.
«Ein kleines Stück noch», sagte Bonnie. «Jetzt halt dich da an dem Vorsprung fest – so, ist hier was?»
Auf dem Vorsprung, auf dem sie standen, war etwas mehr Platz.
Lilly bückte sich und schaute sich um, dann ging sie ein Stück weiter und bückte sich wieder. Sie nahm den Brief vom Opa und las die betreffende Stelle nochmals konzentriert, sah sich wieder um und zuckte mit den Schultern. «Nichts.»
«Hm.» Bonnie setzte sich auf einen Felsvorsprung und schaute aufs Meer. «Das ist jetzt echt doof.» Und eine Sekunde später brach der Felsbrocken ab, und sie knallte aufs Steißbein.
Scheiße, tat das weh.
«Danke», sagte Fridtjof. «Danke, Jan, danke.»
«Wofür denn?» Sie hielten sich immer noch fest, während der Wal mit affenartiger Geschwindigkeit die Nordsee durchpflügte. Dabei stieß er grunzende Laute aus. Es schien ihm nicht zu gefallen, dass er ein Boot transportieren musste. Trotz des Gewichts kam er immer wieder nach oben, und das Boot neigte sich dann gefährlich zur Seite.
«Dafür, dass du mir Schwimmen beigebracht hast», sagte Fridtjof. «Sonst wäre ich schon ausgerastet. Aber so bleibe ich cool.»
«Gern geschehen!», rief Jan. «Was machen wir eigentlich, wenn der Kiel abbricht? Ich hab mal irgendwo eine Doku gesehen, da sind die Boote gesunken.»
«Ja, wir sinken dann», sagte Fridtjof so lapidar, als hätte er gesagt: «Ja, nachmittags gibt es
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