Sechs Richtige (German Edition)
gesetzt haben. «Ein Finnwal ist in unserer Nähe gesichtet worden. Das war heute den ganzen Tag Thema.»
«Wo denn?», fragte Vanessa.
«Die sind doch voll süß», sagte Sinditt. «Manchmal hüpfen sie so leicht aus dem Wasser, da sehen sie aus wie kleine Delfine. Ich war mal mit meinen Eltern auf der Ostsee segeln, da kommen die total oft vor. Tooootaaaaaaaaaal süüüüüüüüüüß!»
«Du meinst sicher Schweinswale», sagte Astrid. «Die sind in der Tat süß. Dieser Finnwal allerdings soll nach Expertenschätzungen ungefähr 23 Meter lang sein.»
« 23 Meter?», fragte Sinditt. «Das sind ja ungefähr 23 Schweinswale.»
Astrid zog es vor, diese Aussage nicht weiter zu kommentieren.
«Eben. Sag mal, Hanno, hat Jan sich eigentlich mal gemeldet?»
«Die sind doch segeln, er und Fridtjof», antwortete Hanno und belegte ein Brot mit Schinken.
«Das war nicht die Frage. Die Frage war, ob er sich
gemeldet
hat.»
«Bei mir nicht. Bei dir?», fragte Hanno nun abwesend. Er starrte nämlich auf den Fernseher, der lautlos im Hintergrund lief. Dort wurden gerade Archivaufnahmen von irgendwelchen großen Walen gezeigt.
«Nein.» Astrid schaute nun auch auf den Fernseher. Der Moderator sprach davon, wie es dazu kommen konnte, dass Wale sich überhaupt verirren, und dann verkündete er, dass ein Segler zufällig etwas wahnsinnig Interessantes hatte filmen können, und das würde man jetzt zeigen. Ein Film wurde eingeblendet, aus dem Off hörte man jemanden dauernd «O Gott, o Gott, wie entsetzlich!» rufen, und eine weitere Person schrie: «Versucht, vom Boot runterzukommen, schnell, schnell!» Es musste sich um die Segler handeln, alle riefen durcheinander.
Die Kamera zoomte näher ran, und nun schrie Astrid auf. Sie war mit einem Mal kreidebleich. In dem Boot saßen Jan und Fridtjof. Und der Wal schien immer schlechtere Laune zu bekommen. Es sah so aus, als würde er buckeln, denn er schoss immer wieder in die Höhe. Und Jan und Fridtjof sahen nicht glücklich aus.
Lilly atmete fünfmal ein und aus, dann hielt sie die Luft an und ließ sich ins Wasser gleiten. Mit Bonnie schien alles in Ordnung zu sein, sie hatte die vereinbarten Ruckzeichen gegeben. Lilly hangelte sich an dem Seil entlang und versuchte, unter Wasser etwas zu erkennen. Aber es war zu dunkel. Wenn Bonnie das geschafft hatte, würde sie es auch schaffen. Ein paar Sekunden später tauchte sie neben Bonnie auf, die hektisch herumzappelte.
«Wie gut, dass niemandem aufgefallen ist, dass unsere Gummianzüge da rumlagen», sagte sie froh. «Die hätten zwar niemandem außer uns gepasst, aber trotzdem. Deine Mutter hätte blöde Fragen stellen können. Das Wasser ist nämlich schon total kalt.»
«Ja.» Lilly nickte. «Ich muss jetzt erst mal was essen. Ohne Nutella überlebe ich das nicht.» Sie holte Brote aus dem wasserdichten Rucksack und reichte Bonnie eins.
Sie setzten sich auf einen Felsvorsprung, aßen, während unter ihnen das Wasser plätscherte, und dabei studierten sie weiter mit Grubenlampen auf den Köpfen den Brief vom Opa. Sie hatten ihn mittlerweile ungefähr tausendmal gelesen, mussten es aber immer wieder tun.
Dann holte Bonnie die beiden starken Taschenlampen aus dem Rucksack. Sie schalteten sie an und ließen den Lichtkegel langsam überall herumkreisen.
«Hilfe, ist das … schön», flüsterte Bonnie. Lilly staunte stumm.
Die Wände wirkten goldfarben und glitzerten so, als ob Millionen von Diamanten darauf kleben würden. Wasser lief in kleinen Bächen herunter und sammelte sich auf dem Boden; es sah aus, als wären überall kleine goldene Seen. Über ihnen hingen bizarre Gebilde; die Natur hatte im Laufe der Jahrtausende Kronleuchter aus den Felsen geformt. Äste oder Ähnliches hing an ihnen und leuchtete strahlend in vielen bunten Farben. Es war so überirdisch schön, dass sie nichts sagen konnten.
Aber dann ging Lilly ein Stück näher an einen der Leuchter und hielt die Taschenlampe hoch.
«Das glaube ich jetzt nicht, das ist nicht wahr», sagte sie.
«Was?» Bonnie kam ebenfalls näher.
«Schau nach oben.»
«Oh …»
«Was heißt denn bitte, Sie sind nicht zuständig?», brüllte Hanno ins Telefon. Alle saßen im Gemeinschaftsraum, niemand sagte ein Wort, nur Fiffi klatschte hin und wieder leicht in die Hände. Vielleicht war das mit dem Klatschen eine Zwangshandlung, dachte Vanessa.
«Dein Bruder ist echt spitze», sagte Sophia zu Antonia. «Wie kann man denn bitte in so eine Situation kommen? Wie kann
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