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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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korrigierte ich ihn beleidigt.
    »Ja, Operation, sag ich doch. Hauptsache, es geht wieder.« Melanie drückte mir das Skript in die Hand. In der dritten Zeile hatte sie zwei Wörter geändert, und ich ging ins Studio. Katie Meluas ›Nine Million Bicycles‹ empfingen mich lautstark wie in einer Disco.
    »Du bist taub!«, schrie ich André an.
    »Waaas?«, brüllte er gegen die Dröhnung an.
    »Taub, du!«, formte ich mit den Lippen. Am Lautstärkeregler stellte er den Schmusesong leiser.
    »Hast du was gesagt?«, fragte er noch mal.
    »Ich? Nee.«
    André war schon seit Jahren Moderator, ein Urgestein, ein Quell der guten Laune und Radiounterhaltung. Mein Skript hatte er bereits vor sich liegen. Er machte mir ein Zeichen, dass unser Talk gleich losgehen würde. Ich setzte mir den Kopfhörer auf und wartete auf Andrés Anmoderation.
    Er gehörte zu der spontanen Sorte, der auch gerne mal exakt gar nicht das vorlas, was auf dem Zettel stand. Wenn man beispielsweise die Frage formuliert hatte: »Jule, du hast Millionäre gesucht, hast du denn auch welche gefunden?«, konnte bei André daraus gerne mal die Frage werden: »Wann warst du denn das letzte Mal mit einem Millionär im Bett?« Darauf hätte ich sogar eine Antwort gehabt: »Ich nicht, da müsstest du schon unseren Volontär fragen.« Aber das ersparte er mir glücklicherweise, denn die heiße Info mit Daniel wollte ich ja erst im geeigneten Moment verbraten.
    André spielte den Refrain an von ›Ach wie gerne wäre ich im Club der Millionäre‹. Daraufhin erzählte ich, dass es nur einen klitzeklitzekleinen Prozentsatz an Glücklichen gebe, Wünsche hingegen Millionen, was man mit dem Geld machen wollte. André spielte die Umfrage ein, die ich nach dem Sport gesammelt hatte. Bei den Wünschen der Frauen, Weltfrieden, Babysitter, soziale Projekte und Kindergarten unterstützen, verdrehte er die Augen. Eine Yacht, wie sie Abramowitsch hat, schien ihm schon eher zu schmecken. Wir riefen die Hörer auf, im Internet auf unserer Seite ihre eigenen Wünsche loszuwerden, und am Ende des Live-Gesprächs kam noch die unvermeidliche Frage, was ich denn mit Millionen täte.
    »Mir ein Cabrio und ein Käppi für die Haare kaufen«, sagte ich, und André spielte ›Money, Money, Money‹ ein.
    Als ich aus dem Studio kam, reckte Melanie den Daumen hoch, und auch Dotz deutete ein Lächeln an. Ach, wie schön, der Tag war doch noch gut gelaufen, hektisch, ereignisreich, aber gut. Fast. Einen verbalen Schlag in den Nacken verspürte ich, alsDaniel hinter mir es doch glatt wagte, Dotz folgende Frage zu stellen: »Sagen Sie mal, ab wann würde ich hier eigentlich Autogrammkarten bekommen?«
    Ich stockte. Autogrammkarten? Die hatten bei uns im Laden nur ungefähr zwei Leute, und das war so eine Art Ritterschlag. Wir anderen hatten sogar um Visitenkarten betteln müssen. Ich versicherte mich mit einem Blick in die Runde, mich nicht vielleicht doch verhört zu haben. An Melanies Miene las ich aber ab, dass ich richtig gehört hatte. Dreist hatte immer Vorfahrt? Nein, denn dann hatte unser Chef einen seiner legendären, aber leider sehr seltenen Auftritte, die uns hoffen ließen, dass er doch auf unserer Seite war. Dotz sprach mit deutlicher Stimme, so laut, dass es die ganze Redaktion hören konnte.
    »Herr Kellwig!« Er kannte tatsächlich Daniels Nachnamen. »Nur, dass wir uns richtig verstehen. Sie haben heute als Volontär mal versucht, ein paar Fotos für uns zu machen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass wir auch Fotos von Ihnen machen.« Manchmal war er eben doch kein Motz, sondern ein Schatz!
    Ich nahm mir vor, diesen schönen Tag genussvoll ausklingen zu lassen. Vielleicht hätte Verena ja Lust, mit mir ein Glas Wein beim Italiener zu trinken? Bevor ich sie anrufen konnte, bekam ich eine SMS: »Sag mal, geht’s noch? Hast du mir etwa diesen Zumba-Spinner auf den Hals gehetzt?«

Dass Glück überhaupt kein Geld kostet,
dass Glück das »Billigste« ist,
was es auf der Welt gibt,
das ist den Menschen noch nicht aufgegangen.
    Erich Fromm
    »Das hat er nicht gesagt!« Ich klang wie eine Platte, die einen Sprung hatte. Immer und immer wieder wiederholte ich diesen einen Satz. Verena verdrehte die Augen.
    »Na klar hat er das. Ich denk mir das doch nicht aus.« Wir saßen auf hohen Stühlen an hellen Holztischen in der Trattoria »Piazza« und aßen eine Pizza. Okay, Verena aß, und ich starrte sie bloß mit offenem Mund an und fummelte dabei nervös an den Blättern des

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