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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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mir vor, mich nicht einschüchtern zu lassen. »Sie wissen doch, dass ich noch Interviews mache.«
    »Kann gar nicht sein, der Herr Dings, äh, Volontär, ist ja eben auch schon wieder reingekommen. Er hat gesagt, er wüsste auch nicht, wo Sie bleiben.« Der kleine Schuft!
    »Ja, Daniel war auch nur bei dem einen Termin dabei. Ich bin ja noch bei der Lottozentrale.«
    »Na ja. Beeilen Sie sich, ich brauche Ergebnisse. Der Volontär hat immerhin sehr schöne Fotos mitgebracht. Der hat sich wenigstens reingehängt!« Dotz wusste gar nicht, wie richtig er mit dieser Formulierung lag. Mir wurde übel.
    »Das Interview darf ich aber schon noch zu Ende führen?«, fragte ich bissig.
    »Aber avanti fixi flotti, bitte schön!« Was war das denn? Dotz’ Stimme war immer noch so laut, als würde er gegen einen Presslufthammer anbrüllen. »In zwei Stunden sind Sie auf Sendung.«
    »Waaas?«, schrie ich jetzt zurück. »Davon war überhaupt nie die Rede.« Die Zeit war extrem knapp bemessen, interviewen, in den Sender fahren, schneiden, texten, das machte man ja nicht mal eben in fünf Minuten.
    »Radio ist ein schnelles Medium, Frau Claussen, ich weiß nicht, ob Sie das wussten. Wenn Sie da nicht mitkommen, muss ich wohl Frau Hansen beauftragen.«
    »So ein Quatsch. Ich bekomme das schon hin«, lenkte ich ein. Ich hasste mich dafür, so in Demut zu verfallen, anstatt Dotz all seine Spitznamen an den Kopf zu werfen.
    »Dann quatschen Sie nicht so viel, legen Sie los!«, blökte er und legte grußlos auf.
    »Ist doch immer schön, wenn man sanftmütige, ausgeglichene Chefs hat, oder?« Markus Röck riss mich aus meiner Schockstarre. Verständnisvoll lächelte er mich an. »Was für ein Choleriker«, fügte er noch an. »Gibt’s leider viel zu häufig.« Ich schüttelte den Kopf.
    »So einen wie den gibt’s nur einmal«, erklärte ich betrübt.
    »Sind Sie sicher? Ich glaube, Ihr Chef muss mit meinem verwandt sein.« Wir grinsten darüber, dass wir beide offenbar das gleiche Schicksal teilten. »Glücklicher wird man durch das ewige Genörgel und Geschreie auch nicht«, stellte er fest.
    »Die sollten alle mehr Glückshormone nehmen. Schokolade zum Beispiel.«
    »Wie im Kakao?«, sagte er augenzwinkernd, als sein Telefon klingelte. »Oh, wirklich? Ja. Ist gut. Wurden die Zahlen überprüft? Okay. Und haben wir die Adresse? Ja, ich fahr hin.« Er notierte etwas auf einem Zettel und ließ ihn schnell in seiner Tasche verschwinden. »Sie müssen los, oder? Sind Sie mit dem Auto da?«, fragte er wieder an mich gewandt. Ich schüttelte den Kopf. »Soll ich Sie mitnehmen, damit Sie schneller bei Ihrem Chef sind? Ich muss auch los.« Ich nickte. Warum sollte ich mich nicht an einem Tag von drei verschiedenen Männern chauffieren lassen? Erst von Daniel im alten Cabrio, dann von Herrn Schneider im noblen Schlitten und zu guter Letzt von Lotto-Röck im Mazda MX5.
    Wieder saß ich unter freiem Himmel, und wieder ließ ich meine fusseligen Haare in Hamburgs Wind wehen.
    »Wo müssen Sie denn hin?«, fragte ich.
    »Kann ich nicht sagen«, erwiderte er geheimnisvoll.
    »Sie haben ihn, oder?«, schrie ich aufgeregt.
    »Spielen Sie eigentlich Lotto?«, wich er aus.
    »Ja, tue ich!« Zum ersten Mal seit dem Auftrag fiel mir ein, dass ich vor etwa einem Monat einen Lottoschein ausgefüllt hatte, der irgendwo in den Untiefen meiner verwahrlosten Tasche stecken musste.
    Ich wühlte mich durch Unmengen von Kugelschreibern, am Schminktäschchen und an losen Haarspangen vorbei, schob Supermarktbons zur Seite und ertastete ein paar alte Lakritz. Angeekelt verzog ich das Gesicht und erwischte dann einen zerknitterten Zettel, den ich stolz ans Tageslicht beförderte.
    »Na, den haben Sie ja richtig liebevoll behandelt.« Markus Röck warf einen Seitenblick auf meinen Lottoschein.
    »Dass ich ihn überhaupt wiedergefunden habe, grenzt an ein Wunder. Ich habe noch gar nicht die Zahlen überprüft.« BeimGedanken daran, wie ich in dem kleinen Lottoladen gegenüber meiner Wohnung die Zahlen eingetragen hatte, kamen mir die Tränen. Ich hatte die Geburtsdaten meiner sechs Exfreunde gewählt, wobei mir durchaus klar war, dass all diese Männer schreiend davongelaufen wären, wenn sie gewusst hätten, dass ich mich noch an ihre Geburtstage erinnerte, während sie nicht einmal mehr meinen Namen kannten. Ich wischte die Tränen weg, die im Fahrtwind hoffentlich nicht weiter auffielen.
    »Oha!«, sagte Markus Röck, als er sich den Lottoschein näher anschaute.

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