Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
sagte ich eine Spur zu laut, weil ich hoffte, mich verhört zu haben. Eben eine liebestolle Millionärin und nun ein anzüglicher Lottomitarbeiter.
»Also, wie Sie in die Gänge kommen morgens, meinte ich, so ganz ohne Kaffee.«
»Ach so«, sagte ich erleichtert. »Mit Kakao«, gab ich offenherzig zu. Meistens verheimlichte ich das, weil ich fand, dass Kakaotrinken so unerwachsen klang, als würde ich zugeben, nachts noch am Daumen zu lutschen, während andere die Zigarette danach rauchten.
»Kakao haben die hier leider nicht.« Markus Röck tat das offenbar wirklich leid.
»Macht ja nix. Ich hatte schon genug heute. Zu viel Kakao und Milch ist nicht gut, zu viel Fett«, merkte ich an.
»Na, so ’n bisschen ist doch halb so wild.«
»Ach, Sie haben gut reden. Bei mir wandert das immer direkt in die Problemzonen. In die Knie.« Was faselte ich da? Der arme Lottomann. Ob er einer unzurechnungsfähigen Radioreporterin überhaupt noch ein Interview geben würde?
»In die Knie?«, fragte er prompt. »Das habe ich ja noch nie gehört. Klasse.« Er amüsierte sich prächtig, eine Reaktion, die ich nachvollziehen konnte. Das Gute war, er lachte, aber er lachte mich nicht aus. »Was hört man nicht alles von Frauen, an welchen Stellen sie zu dick sind«, fing er an aufzuzählen: »Hüfte, Bauch, Po, Schenkel, Waden, Wangen, aber die Knie! Das habe ich noch nie gehört.«
»Na ja, ist ja nicht so, dass ich die anderen Zonen nicht auch kennen würde.« Markus Röcks Blicke wanderten umher.
Ich schlug schnell meine Beine übereinander und stellte meine Tasche auf meine Knie, damit er meine Worte nicht gleich auf den Wahrheitsgehalt überprüfen konnte. So hätte er es eh nicht sehen können, da ich eine Jeans trug. Die Knie waren nicht nur dick, sondern auch irgendwie asymmetrisch, knubbelig und machten sich zwischen kurzem Rock und Stiefeln nicht wirklich vorteilhaft.
»Was genau möchten Sie denn eigentlich wissen?«, wechselte der Lottofachmann das Thema, wofür ich ihm sehr dankbar war.
»Hat sich der anonyme Jackpotgewinner schon gemeldet?«
Er verneinte. »Hat aber noch Zeit. Das kommt häufiger vor. Vielleicht weiß derjenige noch gar nicht, dass er bald um über fünf Millionen reicher ist.«
»Was machen Sie denn mit den Leuten, die sechs Richtige plus Zusatzzahl haben und richtig absahnen?«
Markus Röck erklärte, dass oberste Devise Diskretion sei. »Wir besuchen die Gewinner zu Hause, sagen ihnen, dass sie sich erst mal setzen sollen.«
Ich wollte wissen, wie die Jackpotter reagierten.
»Ganz unterschiedlich. Einige flippen komplett aus, wollen sofort ihren Job schmeißen und auf Weltreise gehen. Einmal hatten wir einen, der hat total geweint, weil er überhaupt nicht wusste, wohin mit dem Geld, sein Leben war bisher so gut gelaufen.« Markus Röck lachte.
Er berichtete weiter, dass es mehrere goldene Tipps für Lottogewinner gab. Erste Regel: Drüber schlafen. Zweite Regel: Nichts weitererzählen, auch nicht der besten Freundin im Vertrauen, sondern erst mal in Ruhe überlegen, was es bedeutete, plötzlich reich zu sein. Dass es nicht ratsam war, gleich am nächsten Tag einen Jaguar samt Chauffeur vor der Tür zu parken, wenn man vorher nur Mofa gefahren war, sagte einem der Hausverstand. Protzen konnte nach hinten losgehen, wie man in mehreren Fällen bereits in den Medien mitbekommen hatte.
Markus Röck und seine Kollegen gaben den frischgebackenen Millionären außerdem Anlagetipps und vermittelten sie an seriöse Berater. Zwielichtige Finanzhaie gab es schließlich genügend.
»Dürften Sie mir verraten, wer der Lottogewinner ist?«
»Nein, dürfte ich nicht!«, sagte Markus Röck lächelnd.
»Auch nicht, wenn ich Sie zum Kaffee einlade?«, fragte ich.
»Auch dann nicht«, sagte er spröde. Hatte doch nicht so viel Humor, wie ich dachte. »Bei einem Kakao hingegen würde ich es mir vielleicht überlegen«, fügte er grinsend an. Meine Mundwinkel zeigten prompt nach oben, um schlagartig nach unten zu gehen, als ich beim Handyklingeln auf mein Display sah. Dotz. Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern in Markus Röcks Richtung. Er blieb entspannt, lehnte sich zurück und beschäftigte sich mit einem Aktenordner, während ich telefonierte.
»Wo bleiben Sie denn?«, brüllte Dotz durchs Telefon. Er hätte gar nicht den Hörer in die Hand nehmen müssen, man hätte ihn vermutlich auch so vom Radiohaus bis hierher in die City Nord gehört.
»Wieso?«, fragte ich offensiv zurück und nahm
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