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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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siebenundachtzig Kilometer. Frisch geschlüpft.
    »Oh, diesen Geruch finde ich einmalig«, schwärmte Carl.
    »Riecht jedenfalls frischer als bei uns im Keller«, gab ich ihm einen kleinen Seitenhieb, den er geflissentlich überhörte. Das Armaturenbrett war ein Highlight für sich. Ich inspizierte intensiv die Knöpfe, spielte an den Schaltern herum und fuhr mit den Fingern über die Automatikschaltung.
    »Sag mal, wenn du bei Männern auch immer so lange brauchst, bis du in die Gänge kommst, dann ist es ja kein Wunder. Da helfen dann weder Chili noch Zimt. Nun gib schon Gas!«
    »Immer sachte, ich bin auch schon lange nicht mehr gefahren.« In den letzten Jahren hatte ich mich nur zu Fuß, mit der Bahn oder auf dem Rad fortbewegt. Vorsichtig setzte ich rückwärts aus der Lücke heraus und fuhr tuckernd die Straße entlang. Carl stöhnte auf.
    »Die Autos hinter uns werden denken, wir sind eine Fahrschule. Der fährt doch nicht nur dreißig!«
    Durch die Sticheleien provoziert, gab ich ordentlich Gas. Die Automatikschaltung war fantastisch, Gas geben und bremsen – das war alles, was ich machen musste. Wir flogen durch die Straßen, und ich beschloss nach wenigen Kilometern, den Wagen zu nehmen. Manchmal mochte ich selbst glauben, was mein gesamtes Umfeld glaubte.
    »Wo wollen wir hin?« Ich warf einen Seitenblick auf Carl.
    »Zu Kaschi?« Es kam wie aus der Pistole geschossen. Ich schmunzelte.
    Über Carls Vergangenheit hatte ich bis vor kurzem kaum etwas gewusst. Und obwohl ich das Gefühl hatte, von allen falsch verstanden zu werden und meine Karten komplett neu mischen zu müssen, war es den Ärger doch wert: Durch den Lottoschein hatte ich die beiden alten Käuze wieder näher zusammengebracht. Das rührte mich.
    »Weißt du, wie lange ihr euch nicht mehr gesehen habt?« Carl schüttelte den Kopf. »Und jetzt war er bei dir im ›Würz‹? Alles nach der Lottogeschichte?« Er nickte. Eine Weile fuhren wir stumm weiter.
    »Gab es denn früher mal Streit zwischen euch?« Carl bewegte seinen Kopf zur Seite.
    »Jule, wenn das eine Therapiestunde werden soll, dann steig ich besser aus.« Ich fühlte mich überführt, wollte ihn auch nicht bedrängen. Ich schlug ein unverfänglicheres Thema an.
    »Ist denn die ›heiße Kiste‹ schon wieder am Laufen?« Mir fiel ein, dass ich eigentlich mein Mikrofon hätte mitnehmen sollen für ein weiteres Interview. Aber diesmal war ich privat unterwegs.
    »Nee, ich glaub, er baut noch seinen alten Grill in den Wohnwagen ein. Das Fenster muss auch noch geändert werden, damit er durch die Luke verkaufen kann. Sind aber nur Kleinigkeiten.«
    Ein paar Meter von Kaschis Hinterhof fanden wir einen Parkplatz. Dieser Leihwagen passte in etwa so gut zum Hof wie ein Känguru in die Antarktis. Na, immerhin hatte ich mit Karsten Telgmann etwas gemeinsam. Wir hatten beide ein neues Auto vor die Tür gestellt bekommen.
    Vor der Pforte zum Hof waren vier Männer dabei, Kaschis Wohnwagen umzubauen. Er selbst gab Anweisungen und sah um zehn Jahre jünger aus als bei meinem letzten Besuch.
    »Carl, Jule!«, rief er freudig und kam auf uns zu. »Das ist er!« Er zeigte stolz auf den neuen Würstchen-Wohnwagen und den Glückskleeaufkleber. »Hast du wirklich nichts damit zu tun?« Die Frage hatte er mir schon am Telefon mehrfach gestellt, und ich konnte sie immer wieder nur verneinen.
    »Gibt’s denn schon eine Currywurst?«, fragte Carl grimmig, klopfte seinem alten Kumpel aber auf den Rücken.
    »Nee, wir können aber zur Konkurrenz gehen.«
    »Ich esse doch um halb elf morgens keine Würstchen!« Ich schüttelte mich angeekelt, während ich auf meine Uhr sah.
    »Früher haben Carl und ich im Hafen geschuftet. Frühschicht. Da war halb elf wie Mittagessen für uns. Und mit dem Geld sind wir nach Griechenland.« Kaschi war die größere Plaudertasche. All diese Infos hatte ich in Jahrzehnten nicht aus Carl herausgequetscht. »Warst du schon einmal in Griechenland, Jule?«
    »Nö. Ich würde aber gerne mal mit meiner besten Freundin …« Bei dem Wort stockte ich kurz. »Also mit einer Freundin ans Meer, in die Karibik.« Kaschi legte einen Arm um mich.
    »Klingt aufregend, aber denk dran, mit dem besten Freund in den Urlaub, das kann Himmel und Hölle sein. Nicht wahr, Carl. Himmel und Hölle!« Kaschi sagte es ganz neutral, aber es musste eine tiefere Bedeutung geben. Carl zog mich nicht unsanft, aber bestimmt fort.
    »Komm, Jule, wir fahren wieder zurück. Wir wollten auch nur mal Hallo

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