Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
sagen.«
Kaschi winkte uns, als wir uns vom Hof machten, und rief mir noch nach: »Wenn du herausfindest, wer mir das Glück beschert hat, sagst du dann Bescheid?« Ich versprach es.
»Was hast du denn?« Es war mir ein Rätsel, wieso Carl und ich die weite Tour gemacht hatten, nur um nach ein paar Minuten schon wieder zu gehen.
»Der Wagen darf nicht kalt werden«, antwortete Carl nur.
Verwechsle nicht die Freude am Gefallen
mit dem Glück der Liebe.
Coco Chanel
Einmal warm gefahren, wollte ich mich gar nicht mehr von ihm trennen. Der Leihwagen und mein Hintern waren nach nur einem Tag so fest zusammengewachsen, als gehörte er schon immer zu mir. Der Luxusschlitten; der Hintern ja sowieso.
Auch zu dem Treffen mit Markus Röck fuhr ich in dem neuen Wagen. Wäre ja schade, wenn der Kilometerstandanzeiger weiter so jungfräulich blieb. Mein Lottofachmann hatte mir per SMS einen Vorschlag für ein Restaurant gemacht. Wir trafen uns bei einem Asiaten, der im letzten Restaurantführer ›Essen und Trinken‹ sehr gut abgeschnitten hatte.
Die SMS hatte Markus Röck mit dem Zusatz beendet: »Ich gehe davon aus, dass Sie mich einladen.« Dahinter hatte er einen Smiley platziert. Eigentlich fand ich Typen, die Smileys unter ihre Nachrichten setzten, nicht besonders männlich. Ein Witz musste sich von selbst erklären und nicht durch zwinkernde, grinsende oder die Mundwinkel herabziehende Icons erläutert werden. In diesem Fall war ich Markus Röck dankbar für den Hinweis, dass es sich um einen Scherz handelte. In meinem labilen Zustand hätte ich sofort geglaubt, dass er es ernst meinte und es ebenfalls nur auf mein Geld abgesehen hatte.
»Ich halluziniere!«, flüsterte ich mir selbst vor. Inzwischen war ich durch den Streit mit Verena und das Leihauto in einer Welt gelandet, die sich mir nicht mehr vollends erschloss. War ich nun reich oder nicht? Vorsichtshalber hielt ich an meiner Bank undzog mir schnell einen Kontoauszug, der aber nur die triste Dispo-Wahrheit ausspuckte. Vor allem: Wäre ich ein besserer Mensch, wenn ich mehr Geld auf dem Konto hätte? Offenbar war es ein wichtiger Aspekt, denn für Verena hatten sich die Prioritäten komplett verschoben. War früher Geld nie ein Thema zwischen uns gewesen, da klar war, dass wir beide nicht darin schwammen, hielt sie es jetzt offenbar für selbstverständlich, dass sie einen Teil des angeblich vorhandenen Reichtums abzubekommen hatte. Wieso eigentlich? Sie ging ja auch nicht davon aus, dass ihr von meinen überflüssigen Kilos etwas zustand. Oder von den nervtötenden Mücken, die ich im Sommer in meinem Zimmer jagte. Negative Aspekte wie höheres Gewicht, höhere Stromrechnung oder höheres Putzaufkommen im Badezimmer fielen nicht unter die Kategorie »bitte teilen«.
Glücklicherweise würde ich jetzt einen Mann treffen, der mir möglicherweise aus dem Schlamassel heraushelfen konnte: Markus Röck. Der Mann mit den goldenen Tipps, was man als Lottogewinner alles nicht tun sollte, müsste umgekehrt doch eigentlich auch wissen, was man als Nicht -Lottogewinner alles tun sollte. Oder?
»Hier bin ich!«
Markus Röck saß schon an einem kleinen, gemütlichen Ecktisch in dem proppenvollen Lokal. Die Einrichtung hätte auf alle möglichen Küchen zwischen Italien, Mexiko oder Schweden hinweisen können, niemals wäre ich auf Asien gekommen.
»Wie geht’s Ihnen denn?« Mein Gegenüber sah mich schief grinsend an.
»Sie haben die Zeitung gelesen?« Er nickte.
»Und ich habe gehört, dass Sie im Radio gesagt haben, Sie hätten den Lottojackpot geknackt.« Ich erzählte zum gefühlt hundertsten Mal, dass mir unser Moderator eine Falle gestellt hatte.
»Das stimmt alles gar nicht!« Ich sah ihn flehentlich an.
»Das weiß ich doch. Zumindest wenn Sie in Hamburg gemeldet sind, haben Sie garantiert nicht mehr als fünf Euro gewonnen. Sonst wüsste ich das.«
»Können Sie das nicht bitte auch der Presse sagen? Und meinem Chef. Und meiner Freundin?« Markus Röck begann zu erahnen, was mir in den letzten Tagen widerfahren war.
»Es tut mir leid, ich würde Ihnen wirklich sehr gerne helfen. Aber ich darf öffentlich nicht über Lottogewinner sprechen.« Er zuckte entschuldigend die Schultern. Wollte er mich auf den Arm nehmen?
»Aber ich habe doch gar nicht gewonnen!« Wie oft hatte ich diesen Satz in den vergangenen Tagen gesagt? Ich kam mir vor wie bei Stefan Raab, der in seiner Sendung einen Knopf drückte und immer und immer wieder ein und dasselbe
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