Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
Ulf, als ich ihm seine Tasse vor die Nase stellte und etwas aus meiner Tasche kramte.
»Können wir machen. Aber warte eben. Magst du vielleicht ein bisschen Zimt in deinen Kaffee?«
Die Mitarbeiter lassen sich lieber von einer Frau überzeugen
als von einem Mann anschreien.
Annette Winkler, Unternehmerin des Jahres (1992)
Ulf wollte alles ganz genau wissen. Wie es mir in den vergangenen Tagen ergangen war, ob ich überarbeitet sei, ob er mir noch einen Kakao ans Bett bringen könne. Ich fühlte mich sehr begehrt. Offenbar hatte die Krankheit seines Vaters Ulf emotionaler und einfühlsamer werden lassen. Verena sagte zwar immer, sie glaube nicht, dass Menschen sich grundlegend ändern könnten, aber sie selbst war der beste Gegenbeweis. Sie hatte sich auch geändert und ihr wahres Gesicht gezeigt.
Ich sagte Ulf, ich brauche keinen Kakao. Nicht, dass ich nicht ganz gerne einen getrunken hätte, mir war es aber lieber, Ulfs warmen Körper an meinem zu spüren als eine warme Tasse in den Händen. Um keinen Preis sollte er früher als nötig aus meinem Bett verschwinden. Wie gesagt, ich war nicht die Beste im Loslassen.
Wir plauderten ein wenig über meine Arbeit und über seinen Vater, wobei er mir fortwährend sanft über die Hüfte strich. Sehr einfühlsam, wie gesagt.
Ich war so glücklich, mich einmal nicht wegen meiner falschen Lottomillionen rechtfertigen zu müssen. In der vergangenen Nacht war das Wort Lotto noch nicht mal gefallen. Logisch, Ulf hatte das ganze Bohei gar nicht mitbekommen, da er Tag und Nacht am Bett seines Vaters gewacht hatte. Ich beschloss, ihm kurz davon zu erzählen.
»Halb Hamburg denkt übrigens, dass ich im Lotto gewonnenhabe. Ist das nicht beknackt?« Ich verrenkte meinen Hals, um über die Schulter zu beobachten, wie er reagierte. Er strich mir übers Haar.
»Wieso das denn?«, fragte er. Ich erklärte es im Schnelldurchlauf und lachte höhnisch dazu.
»Das ist natürlich alles Quatsch. Mein Girokonto ist immer noch in den Miesen.«
Durch das offene Fenster wehte ein laues Lüftchen herein. Der Frühling erwachte endgültig aus dem Winterschlaf. Und endlich auch mal eine Nacht, die sich wie Frühling anfühlte. Ohne anstrengende Auseinandersetzungen und Streits. Zugegebenermaßen war das Warm-up für die heiße Nacht auch nicht schlecht gewesen. Ich dachte kurz an Markus und überlegte, ob es meine Schuld war, dass er so schnell, beinahe beleidigt, weggestiefelt war. Er hatte mich schließlich plötzlich beim Nachnamen genannt. Nachdem ich völlig überdreht Ulf gesagt hatte, es sei lediglich ein Geschäftstreffen gewesen, flüsterte mir mein Gewissen ein. Richtig nett war das nicht.
Ich hätte nicht damit gerechnet, dass Männer so mädchenhaft reagieren konnten. Dass einen Mann etwas kränkte, war mir gänzlich neu. Oft hatte ich das Gefühl, dass sie froh waren, wenn die Frau ihnen einen Fluchtweg aufzeigte. Aber unter Umständen fiel Markus Röck in die Kategorie »weicher Kern«, der, den Ulf gerade entblößt hatte.
»Ich muss gleich in die Redaktion«, erklärte ich und kuschelte mich noch tiefer in die Bettdecke. »Leider!«, fügte ich noch hinzu.
»Fährst du mit dem neuen Auto?«
Die Idee war mir noch gar nicht gekommen. Solange ich denken konnte, war ich immer entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad in die Arbeit. Es wäre schlicht übertrieben, das Auto zu nehmen. Intelligenter, es zu Hause zu lassen, wäre es sowieso. Wie würde es wohl wirken, wenn ich mit diesem Erste-Sahne-Schlitten vor den Augen von Dotz und Co. im Sender vorfuhr und ihnneben den abgeschrammten Polos und Audis meiner Kollegen parkte?
»Könnte ich vielleicht damit fahren?« Ulfs Frage überraschte mich.
»Was ist denn mit deinem Wagen?«
»Den habe ich meiner Mutter dagelassen, damit sie zu meinem Vater kann. Deren Auto ist in der Werkstatt.« Das hörte sich nach einem wahren Logistik-Waterloo an. Könnte ich Ulf den Leihwagen überlassen?
»Ich weiß nicht genau, ob ich den weitergeben darf. Der ist nur geliehen, den muss ich morgen wieder abgeben.« Als Markus gestern gefahren war, hatte ich als Aufsichtsperson immerhin neben ihm gesessen. Ulf drehte seinen Arm über meinen Bauch zu sich.
»Ach, geliehen? Ich dachte, das wär deiner.«
»So ein Quatsch. Den könnte ich mir niemals leisten. Weißt du, was so ein Ding kostet?« Ich drehte mich zu ihm um und stellte während der Drehung fest, dass ich selbst nicht den blassesten Schimmer hatte, was so ein Auto wert war.
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