Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
Vom Netzwerk:
Sendung waren, rollte ich die komplette Glückskleekiste noch einmal von vorne auf. Wirklich Neues gab es ja nicht.
    »Nein, es hat keine weiteren Glückskleeaufkleber oder Spenden gegeben. Obwohl ich viele Mails bekommen habe von Menschen, die gerne ein kleines Stück vom großen Glück abhätten.« Beim Hörerservice waren mehrere Anrufe eingegangen, von Hörern, die mich beglückwünschen wollten, und anderen, die mir meinen Gewinn nicht gönnten. Und ich hatte tatsächlich unzählige E-Mails mit langen Wunschlisten bekommen.
    »Ja, viele sprechen drüber. Mein Nachbar, zum Beispiel, hätte gerne einen Weinberg. Die verrücktesten Sachen wünschen sich die Leute.« Es erstaunte mich, dass André so auf dem Laufenden war.
    »Ja, und mein Nachbar hätte gerne ein renoviertes Haus, in dem nicht der Keller unter Wasser steht«, warf ich scherzend ein. »Aber ich glaube, der geheime Samariter kümmert sich nur um die wirklich ernsten Fälle. Der Wunsch nach dem Kindergarten ging in Erfüllung. Der Typ mit der Abramowitsch-Yacht wartet heute noch drauf. Ein sehr sozialer Spender.«
    »Glaubst du denn, dass der Lottogewinner das alles eingefädelt hat?«
    »Ich habe wirklich keine Ahnung. Wer den Jackpot geknackt hat, ist ja immer noch nicht raus. Es muss ein sehr großzügiger Mensch sein.« André schaute mich schmunzelnd an.
    »Aha, der Jackpotgewinner ist also immer noch nicht gefunden. So, so, Jule. Und du hast da nicht ein bisschen deine Finger drin?« Ich sackte verzweifelt vor dem Mikrofon zusammen. Alle Welt glaubte offenbar noch immer, dass ich die große Gewinnerin war.
    »Eigentlich nicht, nein. Auch wenn ich noch immer viele Briefe und Karten bekomme.« Neben den E-Mails hatte ich auch mehrere Postkarten bekommen. Eine war von einer älteren Dame liebevoll bemalt worden und mit dem Hinweis versehen, ihr zweiundvierzigjähriger Sohn sei auf der Suche nach einer treuen Frau, und ob ich nicht vielleicht …?
    »Stimmt, da fällt mir ein, ein Hörer hat dir gestern live auf Sendung einen Heiratsantrag gemacht!« André erwähnte das so lapidar, als würde er mir einen Einkaufszettel diktieren. Das ging alles viel zu weit.
    »Das ist sehr nett von den Hörern, aber ich würde gerne eine Sache klarstellen«, begann ich, merkte aber, dass ich in den entscheidenden Phasen meines Lebens immer unterbrochen wurde.
    »Jetzt versuch nicht, dich zu entschuldigen. Es ist ja nicht schlimm. Michael Douglas und Catherine Zeta-Jones entschuldigen sich auch nicht dafür, dass sie ein Schloss in Wales und eine Finca auf Mallorca haben.«
    Das Mikro war wieder aus, und André kramte in seiner Hosentasche nach einem Zettel.
    »Willst du die Nummer von dem haben, der dich heiraten will?« Er hatte sich tatsächlich den Namen notiert.
    »Mann, hör auf mit dem Mist.« Mit hängendem Kopf verließ ich das Studio.
    Melanie war in der Nachmittagskonferenz, sie hatte den Talk glücklicherweise nicht verfolgt. Erst schlich ich zu meinem Platz, plötzlich, angetrieben von einer Idee, sprintete ich.
    Ob Markus schon geantwortet hatte? Nein, leider nicht, stellte ich mit einem Blick aufs Handy fest.
    Selten hatte ich Frauen in größeren Sinnkrisen erlebt als beim Checken ihrer Handys. »Zeig mir dein Handy, und ich sag dir, wer du bist.« Dieser flehentliche Blick auf dieses kleine viereckige Ding. Und seit es WhatsApp gab, war alles nur noch schlimmer geworden.
    Früher wartete man auf Anrufe, das war schon nervenaufreibend. Eines Tages konnte man SMS verschicken und wartete wieder. Man setzte sich innerlich Fristen, nach Ablauf der Zeitspanne wurde erhöht, der Notanker geworfen, denn bei SMS gab es ja immer noch die Hoffnung, dass er die Nachricht noch gar nicht gelesen hatte, weil er entweder bei der Arbeit oder anderweitig beschäftigt war.
    Begehrte Männer waren schließlich nicht auf Knopfdruck erreichbar. Die Popularität einer Person korrelierte direkt mit ihrer Unerreichbarkeit, das war im echten Leben so und im virtuellen erst recht. Wer etwas auf sich hielt, ließ die anderen warten. Aber wie konnte man da überhaupt noch Fristen setzen? Und selbst wenn die Beantwortung der SMS über einen Tag ausstand, hätte immer noch die Möglichkeit bestanden, dass er im Koma auf der Intensivstation lag oder mit dem Fahrrad in die Alster gestürzt war und dort hilflos auf Rettung wartete. Unrealistisch. Aber zumindest gab es die Hoffnung.
    Bei WhatsApp konnte man sein Opfer viel besser ausspionieren. (Und wieder konkrete Fristen setzen.)

Weitere Kostenlose Bücher