Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
Räson riefen, die es gut mit mir meinten, wie Melanie und Carl.
Eine innere Stimme gab Melanie recht und verfluchte Ulf. Vielleicht hatte ich mich daher so sehr auf Markus eingeschossen. Was für ein verdammter Fehler von mir, ihn gestern einfach so ziehen zu lassen, um stattdessen kritiklos in Ulfs Arme zu sinken. Mein Handy lag schwer in meiner Hand. Sekündlich rief ich meine WhatsApp auf. Keine Nachricht, er hatte sich immer noch nicht eingeloggt. Ich gab seinen Namen im Internettelefonbuch ein und suchte nach seiner Adresse. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun würde, wenn ich die Straße fände. Die Sorgen waren unnütz, es erschienen sowieso keine Einträge für »Markus Röck«.
Ich fühlte mich noch schrumpeliger und ausgelaugter. Eine saftige Traube auf dem Weg zur ausgedörrten Rosine. Für eine prompte Verjüngungskur tat ich das einzig Richtige. Ich suchte jemanden auf, der noch viel älter war als ich. Carl bediente gerade eine Kundin, die Pfefferminztee, Curry, Muskat und Zimt kaufte. Hoffentlich würde sie nicht alles in einem Gericht vermengen.
»Jule, kannst du mir mal mit den Bestellungen hier helfen?« Carl erkannte mich an meinem Schritt.
»Was soll ich machen?«
»Da liegen die Bestelllisten. Könntest du das abpacken, bitte, und dann die Adressaufkleber drauf. Die sind schon fertig.«
Carl war froh, als ich kommentarlos nickte, und ließ sich in seine Ecke sinken, nachdem die Kundin mit ihrem Gewürzpotpourri abgerauscht war. Früher hatte ich ihm viel häufiger geholfen. Doch je stärker mich mein eigener Job auslastete, umso mehr musste ich Carl sich selbst überlassen.
»Tut mir leid, dass ich dir immer nur den Kakao wegtrinke und schon so lange nicht mehr geholfen habe«, sagte ich kleinlaut, ohne ihn anzusehen.
»Macht doch nichts. Das ist wie mit Kindern. Die kommen auch immer wieder zurück.« Hoppla, was war das denn? Carl, der Philosoph?
»Du hast doch gar keine Kinder«, neckte ich ihn vorsichtig.
»So stelle ich mir das aber vor. Mit Frauen ist es auf jeden Fall so. Die kommen immer wieder.« Ich nutzte die Chance, auf meine eigenen Probleme zu sprechen zu kommen. Zwei Beutel Paprika und schwarzen Pfeffer legte ich vorsichtig in ein Päckchen.
»Kommen Männer auch immer zurück?« Selbst von hinten merkte ich, wie Carl mich mit seinem Blick durchbohrte.
»Meinst du diesen Hallodri von gestern?« Okay, ich sollte meine Privatangelegenheiten wohl nicht direkt vor Carls Laden austragen.
»Welchen von beiden meinst du denn?« Stolz wies ich darauf hin, dass ich gestern die freie Wahl hatte. Einen hatte ich vergrault und die Niete offenbar mit nach oben genommen, wie Carl nur noch einmal bestätigte.
»Der hat sich doch tagelang nicht gemeldet, oder?« Ich nickte. »Und jetzt steht er wieder vor der Tür. Was wollte er denn?«
»Mich sehen!«, gab ich trotzig zurück.
»Merkwürdig, dass er nur Augen für das Auto hatte anstatt für dich.«
»Du bist unfair!« Ich knallte ein kleines Lavendeltütchen auf den Tresen.
Ich hatte dafür gesorgt, dass die hübsch genähten bunten Lavendelsäckchen mit ins Sortiment genommen worden waren, um die feine Eppendorfer Klientel anzusprechen. Carl war das eigentlich zu viel Schnickschnack.
»Ich will dir ja nicht reinreden …«
»Tust du aber schon!« Ich klebte wütend und viel zu kräftig einen Aufkleber auf das Päckchen und wandte mich angriffslustig zu Carl um. »Wann hast du denn mal eine Frau? Immer nur über mich und meine Freunde herziehen, das ist einfach. Aber selber.« So hatte ich noch nie mit ihm gesprochen. Er nahm es aber gar nicht persönlich.
»Ich kann verstehen, dass du wütend bist. Der andere Mann gestern wirkte nur viel aufrichtiger und netter. Vielleicht sollte ich einfach nicht so viel aus meinem Fenster rausgucken und mich lieber um meinen Kram kümmern. Um diese hübschen Lavendelsäckchen zum Beispiel!«
Sofort verflog mein Zorn.
»Entschuldigung, ich wollte dich nicht beleidigen. Du haust nur in dieselbe Kerbe wie Melanie vom Radio. Die hat auch über Ulf gelästert.«
Carl sagte nicht: »Siehst du«, oder etwas in der Art. Das schätzte ich an ihm.
»Momentan bekomme ich entweder Heiratsanträge von wildfremden Menschen oder ich streite mich mit meinen Freunden, toll.«
»Du solltest das eine oder andere klären.« Den Rat hielt er vage, fügte erst etwas hinzu, als er mein fragendes Gesicht sah. »Die Sache mit dem falschen Lottogewinn und mit dem richtigen Mann!« Ich stimmte ihm kopfnickend
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