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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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Arbeitskrempel, der Fototasche und einem dampfenden Kakaobecher stapfte ich entschlossen zu Carl hinunter. Ich hatte etwas zu klären. Über Farbeimer, Tapetenrollen, neue Möbel und Bonny stieg ich ins Innere des Ladens. Wehe, die machten das Schild da draußen neu, dachte ich. Das »Würz« musste das »Würz« bleiben, samt verrostetem, verwarztem Namensschild. Carl fand ich in der kleinen Küche, in der gerade alle alten Schränke herausgerissen wurden. Dankbar nahm er den Kakao entgegen. Zeitgleich hielt ich ihm ein Foto unter die Nase.
    »War der mal mit meiner Mutter befreundet?« Carl nickte bloß und sah sehr traurig aus. »Hast du ihn neulich erkannt?«, fragte ich mit leicht gereiztem Unterton und fügte an: »So, wie du ja auch schon vor mir wusstest, dass Verena die Reise gewonnen hat.« Carl schüttelte den Kopf und sah immer noch bedrückt aus. Nun ja, so schlimm war es nun auch nicht, dass er Schicksal und den guten Geist für mich spielte und versuchte, meinem Leben die gewisse Wendung zu verpassen. »Okay, das ist ja sehr interessant, so ein Abzocker«, zischte ich. »Dann weiß ich ja, was zu tun ist.« Carl schüttelte bloß den Kopf.
    Die Autoschlüssel wollte ich auf den Küchentisch knallen. Der war aber nicht mehr da, genauso wenig wie eine andere Ablagefläche. Nur noch Carls linke Hand war frei. Dort legte ich den Schlüssel samt einer knappen Erklärung hinein. Er nahm kaum Notiz von meinen hektischen Bewegungen, dabei musste er doch nur zu genau wissen, was mich bewegte.
    »Jule, ich muss dir was Trauriges sagen. Frau Resche ist tot.«
    »Was?«, fragte ich. Beinahe hätte ich noch ein »Wer?« angehängt. Ich war einfach zu abgelenkt. Unsere griesgrämige Nachbarin war gestorben? Das passte mir momentan gar nicht in den Kram.
    »Wann denn? Und wie?«
    Carl schaute sich in seinem Laden um, auf der Suche nach einem Sitzmöbel. Er fand nichts Passendes und blieb stehen.
    »Ich habe heute Morgen ganz früh bei ihr geklingelt, weil die Handwerker sich ihre Wohnung ansehen wollten. Sie hat nicht geöffnet. Das kam mir komisch vor. Bonny hat die ganze Zeit gebellt.« Das konnte ich nur bestätigen. »Wir haben dann die Tür aufbrechen lassen. Sie lag im Bett und war ganz friedlich eingeschlafen. Über Nacht. Das Herz wollte einfach nicht mehr, hat der Arzt gesagt.« Carl hatte dies so sanftmütig erzählt, dass mir ganz mulmig wurde und ich mich nicht traute, boshaft zu fragen, ob die Zicke überhaupt ein Herz gehabt hatte.
    »Ist sie noch, ist sie schon?«
    »Ja, der Leichenwagen war schon da. Ich habe mich drum gekümmert.« Und ich hatte mal wieder rein gar nichts mitbekommen.
    Ein Leichenwagen vor unserem Haus, der eine tote Frau abholte, weckte bittere Erinnerungen. Und erinnerte mich erneut daran, warum ich an diesem Tag so aufgebracht war.
    »Jule, du bist offenbar sehr wütend. Zu Recht. Ich wollte nur, dass du Bescheid weißt. Mich macht es sehr traurig. Ich würde mich freuen, wenn wir heute Abend zusammen zu Mario gehen könnten. Vielleicht kommt Kaschi auch. Bonny bleibt erst mal bei mir.«
    »Ist gut«, sagte ich sanft. »Lass uns sagen, um neunzehn Uhr, in Ordnung?« Carl schien Frau Resches Tod näher zu gehen, als ich es je gedacht hätte. »Ich muss nur vorher noch etwas klären«, merkte ich noch an.
    Bonny hatte gekläfft. Ich war damals verstummt, als ich Mama tot im Bett entdeckt hatte. Ich beschloss, zu Fuß zum Sender zu gehen, wollte mir nach der morbiden Stimmung im »Würz« den lauen Wind um die Nase wehen, die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Ich kramte eine Karte und mein Handy hervor, wählte eine Nummer und hinterließ auf einer Mailbox eine Nachricht.

Das größte Unglück,
das einem Menschen passieren kann,
ist, dämliche Eltern zu haben.
    Utta Danella
    »Wer ist dieser verdammte Samariter?«
    Dotz’ Organ war wieder einmal bis nach Bremen zu hören.
    »Die ›Mopo‹ hat die Geschichte mit dem Gewürzheini auch. Ist ja schön und gut, dass wir den Mann im Interview haben, aber …« Mein Chef durchbohrte mich mit seinen Blicken. War das der Mann, mit dem ich tatsächlich einhellig zum Radiopreis gehen sollte? »Wir brauchen mehr Stoff. Nachschlag. Wer ist der Sa-ma-ri-ter?« Dotz schleuderte mir diese Silben entgegen. Die anderen im Konferenzraum duckten sich verschreckt, irgendwie auch erleichtert, dass sie nicht Opfer der Attacke waren.
    »Ich weiß es immer noch nicht!« Dotz riss seine Augen und seinen Mund kilometerweit auf. Ich sprach schnell weiter.

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