Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
passiert?«
Ich packte aus, erzählte alles. Von dem Foto und meinem Verdacht, und dass er es gar nicht war, obwohl er mich als Baby mal auf dem Arm gehabt hatte. Aber damals hatte man als Baby offenbar in vielen fremden Armen gelegen. Dass er nie etwas mit meiner Mutter gehabt hatte, dass er sich aber unter einem falschen Namen bei mir gemeldet hatte, als die falsche Story über meinen Lottogewinn herauskam.
»Dann muss er ja richtig bei uns in der Lottozentrale recherchiert haben. Sonst hätte er meinen Namen ja nicht herausgefunden.«
»Ja, da hat er sich richtig ins Zeug gelegt«, sagte ich bitter. »Ich habe ihm aber klargemacht, dass es bei mir nichts zu holen gibt.« Ich schluckte noch einmal und nahm einen großen Schluck von meiner Apfelsaftschorle.
»Das ist ja wirklich ein Ding. Den Kerl kann man doch echt in der Pfeife rauchen. Und auch deinen wirklichen Papa, der eine Fata Morgana ist.«
Ich prustete einen Teil meiner Apfelsaftschorle zurück ins Glas. Den vornehmsten Eindruck machte ich nicht gerade.
»Hast du eben Vater-Morgana gesagt?« Markus verstand und grinste.
»Nein, das hast du dir ausgedacht, du kleine Satz-Jongleurin.«
»Vater-Morgana, das gefällt mir!« Endlich hatte ich einen Begriff für das, was ich jahrelang nicht hatte in Worte fassen können.
Da ich nun wieder gut gelaunt war, griff Markus zu seinem Besteck und ließ unglücklicherweise meinen Handrücken los. Ach, vielleicht würde mir noch ein Grund zum Heulen einfallen. Er nannte ihn selbst.
»Wer war denn nun eigentlich dieser junge Mann da neulich nach unserem Treffen?« Ich fand, Männer schafften es viel besser als Frauen, neutral eine Frage zu stellen, ganz ohne versteckte Vorwürfe einzubauen.
»Das war Ulf. Betonung liegt auf war .« Ich entschuldigte mich für mein dummes Verhalten, und bald darauf wusste Markus alles über Ulf, das geliehene Auto, Maria Resche, Verena und das Rattanbett. Am Ende wollte ich wissen, ob er noch sehr sauer war.
»Dann bin ich ja im Grunde der Goldfisch«, stellte Markus nur belustigt fest.
»Wieso?«
»Na ja, wenn dessen Gedächtnis nur drei Sekunden hält, dann weiß ich ja jetzt schon gar nicht mehr, was neulich war und dass du womöglich den Begriff ›Geschäftstermin‹ hast fallen lassen, deswegen kann ich auch gar nicht mehr böse sein.«
Ich stupste ihn an, grinste und verzichtete darauf, ihn aufzuklären, dass das mit dem Goldfischgedächtnis gar nicht stimmte.
»Na, dann habe ich ja Glück gehabt!«
Das Geheimnis des Glücks liegt nicht im Besitz,
sondern im Geben.
Wer andere glücklich macht,
wird glücklich.
André Gide
Wir würden uns wiedersehen. Markus wollte mich zur Beerdigung von Maria Resche begleiten, versprach er mir, als er mich nach unserem gemeinsamen Abend vor meiner Haustür ablieferte. Einfach so hatte er zugesagt, mitzukommen. Auf eine Beerdigung mitkommen, war das nicht eher der Schritt, der nach vorstellen bei den Eltern, zusammen in Urlaub fahren und Küchenmöbel aussuchen kam?
»Übrigens gibt es noch eine kuriose Lottogeschichte aus den USA!«, erzählte Markus zum Abschied. »Zwei Brüder haben sechs Jahre lang gewartet, bevor sie ihren Gewinn, über drei Millionen Euro, abgeholt haben.«
»Wieso das denn?« Der Mann war ein Quell an Radiofutter.
»Sie wussten die ganze Zeit, dass sie gewonnen hatten, wollten aber testen, ob die Freundinnen sie auch ohne Geld lieben. Die haben bestanden. Und dann wollten sie sich erst mal an den Reichtum gewöhnen.«
Kuriose Geschichte. Sich langsam dran gewöhnen also.
»Bis übermorgen. Ich hol dich um halb elf ab, und dann fahren wir gemeinsam hin.«
Kein andrer Begleiter wäre mir lieber gewesen.
Ich fand es nicht mehr. Panisch blickte ich nach links. »Vielleicht war es doch da hinten«, meinte ich unentschlossen undging ein paar Schritte in die andere Richtung. Auch hier waren wir an der falschen Adresse. Grabsteine über Grabsteine, nur keiner mit dem Namen Regina Claussen. Meine Mutter war nicht aufzufinden.
Nach der Beerdigung von Maria Resche, bei der gerade mal zehn Leute gewesen waren, hatte ich mir ein Herz gefasst und Markus gefragt, ob er meine Mutter kennenlernen wollte.
»Ich war schon so lange nicht mehr bei dem Grab. Irgendwie konnte ich das nicht. Der Friedhofsgärtner kümmert sich darum, aber es kann doch nicht sein, dass ich es nicht mehr finde.« Ich war kurz davor, die Fassung zu verlieren. Das entging auch Markus nicht.
»Bitte nicht weinen. An was genau erinnerst du
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