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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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blaue, die türkise und die grüne Farbtube waren fast leer. Die Farben der Karibik. Meine Augen blickten die beiden Männeraugen auf der Leinwand forschend an. Einen gesichtslosen Mann mit meinen Augen hatte ich gemalt. Ich glaube, wenn Mama gewusst hätte, dass ich einen wildfremden Mann verdächtigt hatte, mein Vater zu sein, hätte sie sich totgelacht.
    Ich war viel zu spät dran. Eilig hastete ich per Fahrrad zum Sender. Schade, dass das Auto nicht mehr da war. Natürlich blieb unterwegs Zeit, das Handy zu checken. Eine Nachricht von Markus Röck: »Ich werde da sein. Wir haben einiges zu klären.«
    Dieser Businesston klang gar nicht scherzhaft und fröhlich. Was wollte er eigentlich? Nahm er mir meinen Lapsus noch übel, oder hatte er wirklich nur etwas Berufliches mit mir zu besprechen? Ich musste mir dringend abgewöhnen, viel zu viel in jedes kleine Wort hineinzuinterpretieren. Bloß weil die Antwort kein Feuerwerk an Wortexplosionen war, hieß es ja nicht, dass er mich nicht mehr mochte. Einfach mal abwarten, die schwierigste aller Aufgaben.
    Und wieder die Letzte. So unauffällig wie möglich huschte ich in den Konferenzraum. Das ewig gleiche Spiel. Ein dominanter Rädelsführer, Dotz, der die Morgensendung niedermachte, und die Herde, die ängstlich den Kopf einzog. Es wurde Zeit, dass ich aus diesem Karussell kurzzeitig ausstieg. Wir sollten bald die Karibikreise buchen.
    »Herr Kellwig, Sie haben das neulich ganz okay gemacht im Studio. Vielleicht fällt Ihnen für heute noch mal etwas Originelles ein?«
    Daniel grinste wie ein Honigkuchenpferd. Wie konnte Dotz nur diesen Wichtigtuer in aller Öffentlichkeit loben, hätte ich noch vor ein paar Tagen gedacht. Jetzt war es mir klar. Alles füreine blöde Angelmedaille, die neben seinen Promifotos im Büro prangte. Ein »Ganz okay« aus dem Mund von Dotz war wie der Ritterschlag der Radiounterhaltung. Daniel wusste dies sehr wohl und warf sich in Positur.
    »Ich hätte da so dies und das im Angebot. Natürlich bekomme ich das hin.«
    Er warf mir einen vielsagenden Blick zu, der alles bedeuten konnte, beispielsweise: »Im Gegensatz zur langjährigen Mitarbeiterin Claussen, die immer noch nicht den Samariter gefunden hat.« Vielleicht übertrieb ich aber auch und dachte, er habe mich auf dem Kieker, weil ich ihn auf dem Kieker hatte. Vermutlich wusste er auch nicht, dass ich wusste, wer sein Vater war.
    »Ja, ja, machen Sie einfach.« Dotz wurde schon wieder nervös. Zu viel Gerede um den heißen Brei machte ihn wahnsinnig. Das wussten alle, nur Daniel erspürte es nicht.
    »Was halten Sie beispielsweise von einer Studie über Umzüge, wie viel man so mit sich rumschleppt, aus Sicht der Möbelpacker, der Umzügler, der Umzugskartons. Man könnte das auch gut als Comedy aufarbeiten, so slapstickmäßig.« Was faselte der Kerl da für einen gequirlten Mist? Und wieso hatte Dotz ihn noch nicht abgewürgt. Fischauszeichnung hin oder her.
    »Das gefällt mir gut. So stelle ich mir Radio vor. Schnell, modern. Lassen Sie uns später noch einmal drüber reden. Das legen wir ganz groß an.«
    Dotz hatte angebissen. Wie ein Fisch am Haken zappelte er – und wollte wirklich eine Comedyserie über sprechende Umzugskartons in Auftrag geben? Wurde er etwa komisch auf seine alten Tage? Obwohl ich wusste, woher der Wind wehte, fuchste es mich, dass Daniel so gut abschnitt und beim Chef einen Stein im Brett hatte. Vielleicht ärgerte mich aber auch nur, dass ich selbst noch nie umgezogen war? Dotz segnete ab, dass Daniel nachher schon einmal ins Studio gehen und großspurigeinen ersten Überblick über Umzüge in Hamburg geben durfte. Üblicherweise müsste man dafür sehr lange recherchieren. Ämter anrufen und nach den Umzugsstatistiken der vergangenen sieben Jahrzehnte fragen, diese auswerten, Hamburger auf der Straße befragen, wie oft sie umgezogen waren, das kritische Thema Mietpreise einbeziehen. Ich war mir sicher, Daniel würde ohne all diese Anstrengungen auskommen und sich mit einem flotten Spruch retten. Wenn Dotz mehr Wert auf Komik denn auf Inhalte legte, sollte er doch. Dem Volontär würde ich schon eins auswischen. Heute noch.
    »Vielleicht sollte Daniel nicht die Frage beleuchten, wie oft die Hamburger schon ausgezogen sind , sondern wie oft sie sich schon ausgezogen haben? «
    Mein Vorschlag wurde mit einem Stirnrunzeln quittiert, die meisten waren schon aufgestanden, und das allgemeine Stühlerücken hatte die Hälfte meines Satzes verschluckt.
    Daniel

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