Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
alleine vor sich hin lebt, kann man sich ja nicht den ganzen Tag mit seinem Hund unterhalten.«
Ich wusste doch, dass sie mit Bonny gesprochen und der Hund vermutlich auch geantwortet hatte!
»Deswegen war es schön, eine echte Menschenstimme aus dem Radio zu hören.«
Mann, das war jetzt aber eine Nummer zu dick. Eine echte Menschenstimme.
»Eine, die ich kannte. Und besonders amüsant war es, als du über mich berichtet hast.«
Der Notar legte eine bedeutsame Pause ein.
Wann war Maria Resche denn bitte schön Thema in meiner Reportage gewesen?
»Frau Claussen!« Ich schreckte auf, der Notar hatte mich direkt angesprochen, das war offenbar nicht abgelesen. »Frau Resche bat mich, Ihnen den Brief zu zeigen.«
Von mir aus auch das. Vielleicht wollte sie, dass ich ihn auf Rechtschreibfehler gegencheckte. Herr von Ranken reichte mir das Schriftstück, das ich feierlich entgegennahm. In sehr ordentlicher Schrift hatte Maria Resche diese Art Testament verfasst. Es war ja bisher eigentlich um kein finanzielles Vermächtnis gegangen, sondern vielmehr um ihre Memoiren. Der Briefwar mehrere Seiten lang. Ich blätterte sie schulterzuckend durch und stutzte, als ich auf der letzten Seite angekommen war. Ganz unten prangte etwas, klein und rund. Ein Aufkleber. Ein grüner Aufkleber. Es war ein Glücksklee.
Viele Menschen versäumen das kleine Glück,
während sie auf das große vergebens warten.
Pearl S. Buck
Ach, du heiliger Samariter.
»Maria Resche ist der geheimnisvolle Geldspender?« Carl, Kaschi und Markus nickten. »Wusstest du das?«, fragte ich Markus.
»Ich habe es mir gedacht!«, erwiderte er. Ich kapierte gar nichts und musste mich sehr stark konzentrieren, um alle meine Fragen zu bündeln, zu ordnen, nicht zu vergessen und in logischer Reihenfolge abzuschließen.
»Hat Frau Resche den Lottojackpot gewonnen? Ist sie das gewesen?« Der Notar schüttelte den Kopf. Markus auch. Wieso wusste er mehr über meine Nachbarin als ich? »Aber wieso der Glückskleeaufkleber?«
»Weil von ihr die ganzen Spenden kamen.« Es war das Erste, was Carl seit der Testamentseröffnung sagte. Der Mann, der Maria Resches Herz gebrochen hatte und sich seit Jahren in seinem Verlies zwischen Lorbeerblättern und Chilischoten verschanzte.
»Aber von welchem Geld?« Ich hatte noch etliche Fragezeichen im Kopf, die alle abgearbeitet werden mussten.
»Das musst du Kaschi fragen!« Carl verwies mich und meinen Fragenkatalog an seinen alten Kumpel. Der druckste erst ein wenig herum.
»Ich habe ja damals so viel Geld im Lotto gewonnen. Damit wollte ich Maria und mir ein tolles Leben bereiten.«
Noch während er sprach, kamen mir die Tränen, weil ich die Vorstellung so rührend fand, dass Kaschi hinter dieser schlechtgelaunten Frau her gewesen, aber von meinem Carl ausgestochen worden war.
»Nun ja!«, Kaschi sprach schnell weiter, weil es ihm wohl leidtat, dass ich seinetwegen so traurig guckte. »Das is dann ja nix geworden. Aber ich wollte, dass es ihr trotzdem gut geht. Deswegen habe ich ihr das meiste Geld von dem Gewinn geschenkt.«
»Ich dachte, das hättest du alles aufn Kopf gehauen?« So hatte er es mir zumindest erzählt.
»So viel Alkohol hätte selbst ich nicht runterbekommen«, sagte er mit einem Grinsen. »Ich hab behauptet, ich hab das Geld versoffen und in Frauen gesteckt. Das stimmt ja im Grunde auch, in eine Frau. Sie wollte es gar nicht nehmen und hat gesagt, sie würde es für mich anlegen. Bis vor kurzem wusste Carl gar nichts davon.«
Carl verzog das Gesicht und kratzte sich am Kopf.
»Der war damals richtig sauer, als er dachte, ich hätte das ganze Geld verprasst.«
Ach, sieh mal einer an. Geschichte wiederholte sich offenbar. Kaschi und Carl. Jule und Verena. Wir machten doch alle die gleichen, dummen Fehler.
»Und das Geld hat sie genommen und damit die ganzen Spenden finanziert?«, fragte ich. Der Notar bestätigte es. »Sie war auch die Frau hinter den Investoren für das Haus und für das ›Würz‹?«, fragte ich weiter.
»Ja, das haben mir die Investoren unter der Hand auch gesteckt«, meinte Carl.
»Bist du denn noch einmal zu ihr gegangen und hast dich bedankt?«, fragte ich. Carl atmete schwer.
»Ich durfte es ja gar nicht wissen. Eigentlich wollte ich mich schon immer einmal mit ihr aussprechen, aber all die Jahre hates nie geklappt, und wie das dann so ist …« Er beendete den Satz nicht.
»Carl … Du alter Trottel.« Aus Kaschis Mund klang es irgendwie liebevoll.
»Lasst mich
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