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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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Herrn Schneider mailen, damit er über das wilde Treiben seiner Gattin Bescheid wüsste. Aber was hatte ich damit zu tun? Gerüchte über andere verbreiten, nachdem ich über die Gerüchte rund ummeine Person beinahe gestolpert wäre? Ich löschte den brisanten Mitschnitt. Um sicherzugehen, klickte ich auch im virtuellen Papierkorb auf »erase« .
    »Willst du hier einziehen?«, fragte Mario mich am Abend, als ich in einem schwarzen Kleid und Jeansjacke das »Piazza« betrat.
    »Hör mir auf mit Umzügen!«, sagte ich und rollte mit den Augen. Ein Scherz, den er nicht verstehen konnte. Aber was ein guter Wirt war, lachte auch über den Nonsens der Gäste. Markus Röck erschien kurz nach mir und grinste, als er mich sah. Nicht gemein, nicht sarkastisch, nicht überlegen, nicht geschäftsmäßig, einfach nur freudig.
    »Schön, dich zu sehen!«, sagte er. »Wir hatten uns doch geduzt, oder?« Doch, da blitzte er kurz auf, der kleine Schalk.
    »Na, sicher. Wüsste nicht, was dagegen spricht«, erwiderte ich und wies auf den leeren Platz neben mir. Ich hatte extra einen Ecktisch ausgesucht, an dem man über Kreuz (!) dichter beieinander saß.
    »Wo warst du denn eigentlich?«, fragte ich so beiläufig wie möglich, nachdem wir jeder eine Pizza bestellt hatten.
    »In London, bei einem alten Schulkameraden. Der ist dort seit ein paar Jahren im Bankgeschäft. Läuft klasse. Na ja, noch. War jedenfalls sehr lustig, in den Pubs rumzuhängen.«
    Das waren also die Hintergrundgeräusche während unseres lauten Telefonats. Er hatte Schulkamerad gesagt, oder? Und nicht Kamerad in .
    »Ich war heute noch einmal schnell im Büro. Unsere Empfangsdame sagte, eine Frau hätte mehrfach angerufen und nach mir gefragt. Sie hat aber leider den Namen verschlampt. Warst du das?« Er sah mich mit einem neutralen Gesichtsausdruck an, ich erkannte aber, dass er wusste, dass ich wusste, dass er wusste, dass ich es war.
    »Äh, na ja, kann schon sein! Is ja egal. Jetzt sehen wir uns ja.«
    Die Pizzen wurden serviert. Markus schnitt seine Rucolapizza beherzt durch und kaute genüsslich. »In England ist das Essen ja eher so lala.«
    Wir aßen beide eine Zeit lang schweigend, bis Markus plötzlich etwas einfiel.
    »Sag mal, hat sich dieser Typ noch einmal bei dir gemeldet? Der mit meinem Namen. Ich habe das in London ganz vergessen.« Er kramte in seiner Jackentasche und zog aus seiner Geldbörse ein fein säuberlich zusammengefaltetes Stück Papier hervor. Bei mir wäre das zerknittert in meiner Tasche verschollen. »Die Handynummer habe ich noch. Soll ich der Sache mal nachgehen?«
    »Nein, brauchst du nicht. Das habe ich schon, also, das hat sich schon erledigt.« Ansehen konnte ich ihn nicht, weil mir ein paar Tränen in die Augen schossen. Ich glaubte, er hatte es trotzdem bemerkt, nicht umsonst saßen wir sehr dicht, über Eck, beieinander.
    »Hat der irgendwas Blödes gemacht, der Typ?«, fragte Markus vorsichtig. Ich sah ihn direkt an und brach in Tränen aus. Zum ersten Mal überhaupt.
    Noch nie hatte ich vorher um meinen Vater geweint. Nicht einmal als kleines Mädchen, als mir jemand fehlte, der mir gesagt hätte, was richtig oder falsch war. Eine Person, die mir beigebracht hätte, dass man keinen Volontären, und seien sie noch so nichtsnutzig, hinterlistig eins auswischte. So jemanden eben. Ein Mensch, der mit einem tobte, seine Tochter auf Händen trug, mit ihr Sandburgen und Mist baute. Vielleicht war ich ein paarmal traurig darüber gewesen, dass es in meinem Leben so einen Menschen aus Fleisch und Blut nicht gab. Darüber hatte ich mal geschluchzt, aber niemals geweint. Genauso wenig wie über den Tod meiner Mutter, die irgendwann einfach auch verschwunden war. Alle hatten mich immer für meine Stärke bewundert. Jetzt aber, jetzt weinte ich. Bitterlich. Ich flennte, weil ich gedachthatte, ihn gefunden zu haben, meinen Vater, und dann war er es gar nicht.
    Ich heulte Rotz und Wasser, und Markus Röck, mein »Geschäftstreffen«, legte Messer und Gabel zur Seite, ließ die Rucolapizza kalt werden und strich sanft über meinen Handrücken. So lange, bis ich mich einigermaßen beruhigt hatte. Dann nahm er seine unbenutzte Serviette und tupfte mir eine Träne vom rechten Ohr, die gerade auf meine Pizza Serrano tropfen wollte. Das brachte mich zum Lachen. Ihn auch. Ich lachte so, wie ich eben geheult hatte. Markus Röck störte das alles gar nicht, auch nicht, dass Gäste am Nachbartisch sich pikiert umsetzten.
    »Was ist denn

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