Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
»Würz«-Carl. Nur mit K. Oder ich würde Starkoch Steffen Henssler über die Schulter in den Kochtopf schauen. Der hätte ohne seinen Lottogewinn nämlich niemals die Ausbildung an der Sushi-Akademie in Los Angeles finanzieren können.
Einem Parkettverleger hatte sein Lottogewinn von 1,9 Millionen Mark kein Glück gebracht, erfuhr ich aus dem Internet. Er hatte sein gesamtes Vermögen in den Sand gesetzt, weil er falschen Immobilienberatern vertraut hatte. Und etliche andere Geschichten über Lottogewinner, die alles verspielt und damit Unglück im Glück gehabt hatten.
Ich fand den Namen eines Hamburger Lottogewinners, einKlick ins Internettelefonbuch brachte mir die Telefonnummer und Adresse ein. Das feine Blankenese. Na sicher doch. Der hatte sein Geld offenbar gut angelegt. Ich wählte die Nummer, und nach siebenmal Klingeln hob eine Frau ab, die Gattin des Glückspilzes.
»Könnte ich Sie und Ihren Mann vielleicht mal interviewen, darüber, was sich für Sie verändert hat nach dem Gewinn?«, fragte ich höflich.
»Eigentlich geben wir nicht so gerne Interviews, aber für welche Zeitschrift, sagten Sie, arbeiten Sie? Für die ›Bunte‹?«
»Nee, so ähnlich. Für die ›Elbe-Welle‹.«
»Würden Sie Fotos von mir machen?« Ich überlegte kurz, ob ich ihr den Sinn beziehungsweise Unsinn von Fotos für Radiosender erklären sollte, wollte sie aber nicht verschrecken.
»Ja, das ließe sich sicher einrichten.« Das Versprechen reichte ihr.
»Kommen Sie doch morgen Vormittag vorbei.«
Als ich auflegte, kicherte ich. Irgendwie würde ich der Dame schon klarmachen, dass es keine Homestory von ihr in der nächsten ›BunteGalaInStyle‹ geben würde. Wenn ich für alle Interviews immer so schnell eine Zusage bekäme, könnte ich froh sein. Normalerweise wurde man von der Sekretärin vertröstet, Herr Soundso würde garantiert zurückrufen, was dann aber nie geschah, weil eine andere Assistentin vergessen hatte, die Nachricht weiterzuleiten und Herr Soundso sowieso erst mal alle Fragen schriftlich vorab gefaxt haben wollte.
In diesem Fall war es offenbar so, dass Frau Blankenese froh über Abwechslung war. Vielleicht hatte sie als Frau Barmbek einfach viel mehr um die Ohren gehabt und heute in ihrem Luxusheim schlicht Langeweile. Wie fies von mir. Ich sollte meine Vorurteile besser wegschließen.
Da ich gerade einen Lauf hatte, rief ich auch noch bei der Hamburger Lottozentrale an, erwischte aber nur den Anrufbeantworter.Ich bat um einen Termin für ein Interview, um zu erfahren, wie das Prozedere bei einem Lottogewinn genau verlief: Benachrichtigung – Überweisung – Finanzberatung?
Völlig in Gedanken versunken, klickte ich mich weiter durchs Internet. Ich erfuhr, dass man Lottogewinne nicht versteuern musste – Gewinne bis tausend Euro wurden in der Lottoannahmestelle sogar in bar ausgezahlt. Am 9. Oktober 1955 ging es los mit »6 aus 49«, und rund neunzehn Millionen Lottoscheine wurden inzwischen Woche für Woche verarbeitet. Langsam verschwammen die Zahlen vor meinen Augen.
»Was suchst du denn so eifrig?« Unser vorlauter Volontär Daniel schreckte mich auf. Er schaute mir über die Schulter.
»Ach, ich suche nach Lottomillionären, ist für ein paar Beiträge«, antwortete ich beiläufig.
»Wenn ich mal im Lotto gewinne, kauf ich mir einen schnellen Flitzer und eine Lady dazu, und weg sind wir. Das wär perfekt, besser geht’s nicht!«
»Dann wärst du glücklich?« Interessiert blickte ich vom Bildschirm auf.
»Na, klar!« Daniel zuckte mit den Schultern. »Dann müsste ich mich hier nicht mehr abschuften mit euch Rentnern.« Unsere Redakteurin vom Dienst Melanie gesellte sich zu uns, als sie das abfällige Wort Rentner gehört hatte.
»Wen meinst du denn?« Dabei fixierte sie unseren Volo mit einem abschätzenden Blick.
»Dich natürlich nicht. Rentnerin. Niemals! Du bist ja schon fast scheintot.« Wer hatte den Kerl eigentlich eingekauft? Sicherlich wurden beim Radio Leute mit großer Klappe gesucht, aber mit so einem losen Mundwerk?
»Wir reden über Lottogewinner«, lenkte ich schnell ab, bevor Melanie wieder in ihre ewige »Ich bin zu alt, zu dick, zu breit, zu hässlich, zu klein«-Litanei verfiel. Nicht, dass ich ihre Sorgen nicht nachvollziehen konnte.
»Ach, und unser Freund hier würde sich irgendeine Frau kaufen, hab ich das richtig verstanden?«, zog sie Daniel auf.
»Jo!« Wir nickten beide.
»Aber dann bist du auch nicht glücklicher«, warf Melanie ein.
»Ich
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