Sechs, Sieben, Cache! | Ein Hildesheim-Krimi
anstrengend.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie das nächste Mal aufwachte. Jedenfalls strahlte die Sonne nicht mehr direkt durch ihr Fenster in ihr Gesicht.
Corinna rollte sich auf die Seite, öffnete ein Auge und ließ sich aus dem Bett plumpsen. Sie stöhnte und war sich nicht sicher, ob ihre Beine sie tragen würden. Vorsichtshalber kroch sie auf allen Vieren zum Bad. Sie zog sich am Waschbecken hoch, drehte das kalte Wasser auf und spritzte es sich ins Gesicht.
Nachdem sie ein wenig Wasser in einen Zahnputzbecher gefüllt hatte, schluckte sie erst eine, dann noch eine Kopfschmerztablette und wartete. Sie wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis sie wirkten. Sie seufzte. Ihr blieb keine andere Wahl. Sie musste jetzt in Gang kommen.
Plötzlich hielt sie inne. Warum musste sie so leiden? Nur weil irgendjemand ihr einen Stromstoß zugedacht hatte. Wenn sie den Kerl jetzt in die Finger bekäme, würde sie ihn auf kleiner Flamme rösten.
Die Wut vertrieb die Kopfschmerzen schneller als jedes Aspirin.
Wenig später schritt Corinna die Treppe hinunter. Im Speisesaal klapperten Mitarbeiterinnen, die Corinna nur vom Sehen kannte, mit Geschirr und Besteck. Auf einer langen Tafel lagen bereits weiße Tischtücher. Darauf stand der Blumenschmuck, der an das Wappen des Hauses angelehnt war.
Hier ging alles seinen Gang.
Eine der Frauen kam zu ihr herüber und sagte: „Guten Morgen, Frau Schwartz, der Caterer liefert gegen 11 Uhr. Bis dahin haben wir den Raum fertig vorbereitet. Die Getränke kommen gegen 13 Uhr. Alles läuft wie am Schnürchen.“
„Herzlichen Dank. Ich will Sie nicht stören. Ich wollte nur hereinschauen, weil ich mich schon so auf heute Abend freue.“
Die Frau lächelte noch strahlender. „Schloss Abbensen wird garantiert ein Erfolg. So etwas hat uns hier schon lange gefehlt.“
„Sie wohnen in Sibbesse?“
„In Diekholzen.“
„Dann müssen Sie immer über den Roten Berg, um zur Arbeit zu kommen.“
„Der Berg ist kein Problem.“
„Ich danke Ihnen für Ihr Engagement.“
Corinna fühlte sich überflüssig. An allen Ecken arbeiteten Mitarbeiter zielstrebig. Die Gästezimmer waren vorbereitet. Im Eingangsbereich wurde der Blumenschmuck erneuert, und in den Aufenthaltsräumen wurden Bistrotische aufgebaut.
Sie ging ins Büro und rief ihren Bruder an. Leider meldete er sich nicht. Wahrscheinlich saß er im Flugzeug nach Hannover. Sekundenlang schwebte ihr Zeigefinger über der Kurzwahltaste für Dennis Voigt. Doch dann wählte sie stattdessen die Nummer von Fitz. Er antwortete sofort und bestätigte, dass er heute Nachmittag selbstverständlich nach Schloss Abbensen kommen würde.
Gleich fühlte sie sich besser.
Sie hörte Wagners Stimme auf dem Flur. Sie hatte keine Lust darauf, ihn zu treffen. Sie verließ das Zimmer, ging den Gang weiter hinunter und trat in den Innenhof. Von dort aus gelangte sie in den Mitarbeiterbereich. Janka Baric händigte ihr den Schlüssel für einen der Firmenwagen aus.
„In welche Richtung liegt Eberholzen?“
„Fahren sie bis zur Hauptstraße, dann links. Eberholzen ist das nächste Dorf.“
„Danke.“ Corinna fuhr schon wenige Minuten später am Ortsschild vorbei.
Als sie zwei Frauen erblickte, die mit ihren Hunden spazieren gingen, ließ sie die Beifahrerscheibe herab und fragte: „Können Sie mir sagen, wo Thomas Steinwand wohnt?“
„Der Thomas? Hinter der Kirche scharf links. Das sehen Sie schon, da steht ein großer Baum auf der Kreuzung. Thomas’ Haus ist das letzte auf der rechten Seite.“
Sie hätte auch erkannt, dass Thomas Steinwand auf diesem Grundstück wohnte, wenn man es ihr nicht gesagt hätte. Das Haus selbst bestand aus dunklem Holz. Wohin sie auch blickte, überall entdeckte sie metallene Skulpturen, Gitter oder Verzierungen. Mitten auf dem Hof stand eine Figur, die sie an Don Quichotte erinnerte. Als sie das Tor zum Grundstück aufschob, erkannte sie, dass es sich bei dem Knauf um einen Käfer mit fein ziselierten Mustern auf den Flügeln handelte.
Die beiden Zwerge neben der Haustür fand sie kitschig, genau wie die zahlreichen Schmetterlinge, die neben der Haustür an der Wand befestigt waren.
Sie klingelte.
Thomas Steinwand öffnete die Tür. Er trocknete sich die Hände an einem karierten Geschirrhandtuch ab und erstarrte in der Bewegung, sobald er sie erkannte. Es dauerte eine Zeit, bis er seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte. Doch Corinna hatte unmissverständlich gesehen,
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