Sechs, Sieben, Cache! | Ein Hildesheim-Krimi
in die Hüften gestemmt und betrachtete ihn. „Das ist unglaublich. Gestern waren da noch keine.“
„Meine Mutter nimmt grüne Seife. Einfach in Wasser auflösen und die Pflanzen einsprühen.“
„Grüne Seife, so so! Na ja, klingt ungiftig. Aber wissen Sie, das ist kein Wunder.“ Sie warf einen vielsagenden Blick zum Nachbargrundstück hinüber. „Es ist ja nicht so, dass das Unkraut nur auf dem eigenen Grundstück blüht.“ Sie trat noch einen Schritt näher an Markus heran. „Nachts, ich sage Ihnen, das stimmt, ich habe es selbst gesehen, nachts sammelt er Schnecken und wirft sie über die Hecke in meinen Garten. Glauben Sie nicht, dass ich mir das gefallen lasse. Ich nicht.“
„Frau Maurer“, sagte Markus, „Frau Maurer, wegen Ihres Nachbarn haben wir bei Ihnen geklingelt.“
„Ich nehme kein Päckchen für ihn an, und Nachnahme schon gar nicht. Wer weiß, wann der wieder auftaucht.“
„Ist er denn verschwunden?“
„Hören Sie, ich rede nicht mit Fremden über die Nachbarn.“
Gerade wollte Lisa erklären, dass sie Polizeibeamte seien, als Markus sagte: „Da wachsen ja Brennnesseln durch die Hecke. Blühen die etwa schon?“
Wieder wieselte die Dame vor ihm her, diesmal quer über den gepflegten Zierrasen bis zur Hecke. Dort bückte sie sich und schaute unter die Buchsbäume. „Die machen die Hecke kaputt, sehen Sie, wo die Brennnesseln wachsen, hat die Hecke kaum Blätter.“
„Warten Sie, ich mach das.“ Markus bückte sich ebenfalls und zog zwei lang aufgeschossene Brennnesseln aus dem Boden. Er legte sie auf dem Rasen ab, ging zwei Schritte weiter und zerrte noch eine heraus. „Ist denn der Herr Tolberg von nebenan beruflich viel unterwegs?“
„Ach was! Der hat doch sein Büro unterm Dach! Immerhin hat er lauter anständige Kunden, na ja, Klienten nennt er sie.“
Sie lachte.
„Da kann man wohl mehr Geld nehmen, wenn man Klienten hat und keine Kunden, oder?“
„Er ist Architekt?“
„Sie können den aber nicht buchen oder wie immer man da sagt. Der baut nur Gewerbe.“ Sie verdrehte die Augen. „Als ob es dafür einen Architekten bräuchte. Gucken Sie sich nur mal die Hallen an, die er hier in Burgstemmen verbrochen hat. Wenn Sie nach Nordstemmen raus fahren, auf der rechten Seite.“
„Ist er vielleicht in den Urlaub gefahren?“
„Er spielt Golf. In Rheden.“
„Da bleibt er doch nicht über Nacht.“
„Und Segelfliegen, aber nicht in Rheden, dafür fährt er nach Wesseln.“
Lisa musste grinsen. Dafür, dass die alte Dame dem Architekten nicht aufs Fell gucken konnte, wusste sie gut Bescheid. Außerdem hatte Markus bisher noch mit keinem Wort erwähnt, dass sie Polizisten waren. Er hatte sie so erfolgreich abgelenkt, dass Lisa problemlos die gesamte Wohnung hätte ausräumen können.
Gerade erzählte sie Markus von den Frauenbekanntschaften des Nachbarn.
„Nee, nee, viele kann man nicht sagen. So alle halbe Jahre eine Neue. Die eine, ’ne ganz patente aus Betheln, die ist sogar mal über ein Jahr gekommen. Da hab ich schon gedacht, das wird was Festes.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Aber plötzlich ist sie nicht mehr aufgetaucht.“
„Könnte es sein, dass er sich bei seiner momentanen Freundin aufhält?“
„Momentane Freundin, wie das klingt? Lebensabschnittsbegleiterin nennt er sie, wenn er eine hat, hat er aber nicht.“
„Sicher?“
„Völlig. War ja laut genug, während sie ihre Habseligkeiten aus dem Haus in ihren Wagen geschafft hat.“
„Wann haben Sie Herrn Tolberg zuletzt gesehen?“
„Am 1. September.“
„Wieso wissen Sie das so genau?“
Wieder rümpfte sie die Nase.
„Herr Tolberg hat sich despektierlich über Herrn Adenauer geäußert.“
Markus sah verblüfft aus. „Was hat er denn gesagt?“
„Nein, das werde ich nicht wiederholen.“
„Wieso haben Sie über Adenauer gesprochen?“
„Am 1. September 1949 hat der Parlamentarische Rat Konrad Adenauer zum Vorsitzenden gewählt. Von dem Tag an ging es mit Deutschland bergauf. Ein gebildeter Mann, der Konrad Adenauer. Ganz anders als Herr Tolberg.“
„Sie haben also am 1. September mit Herrn Tolberg über Ihr Idol Adenauer gesprochen?“
„Das haben Sie schön gesagt. Bevor ich zum Friseur bin.“
„Seither haben Sie ihn weder gesehen noch gehört?“
Sie schien ernsthaft zu überlegen. „Gesehen ganz bestimmt nicht. Da bin ich mir sicher. Ob ich ihn am Donnerstagabend, nach der Tagesschau, noch gehört habe? Mag sein, mag auch nicht sein.“ Jetzt
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