Sechseckwelt 01 - Die Sechseck-Welt
pumpen Maschinen Luft nach unten. Es ist etwa so, als lebe man in Kuppeln unter der Meeresoberfläche, wie es vorkommen soll. Die Wüste ist unser Meer – mehr, als Sie glauben. Wir können darin schwimmen, wenn auch sehr langsam, und folgen Leitdrähten von einem Ort zum anderen. Wir kommen nur herauf, wenn wir weite Strecken zurückzulegen haben.«
Brazil übersetzte, und Vardia fragte: »Aber woher kommt die Nahrung? Hier wächst doch nichts.«
»Wir sind hauptsächlich Fleischfresser«, erklärte der Herzog, nachdem ihm die Frage übersetzt worden war. »Es gibt im Sand viele Wesen, und ein Großteil ist gezähmt. Wasser ist kein Problem – es gibt die alten Flüsse noch, nur strömen sie unterirdisch. Die Gemüsespeisen hier sind für Sie gedacht. Wir züchten die Pflanzen in Treibhäusern.«
Sie aßen und setzten das Gespräch fort, ohne auf den Zweck der Expedition einzugehen. Nach der Mahlzeit verabschiedete sich der Herzog.
»Dort drüben liegt Stroh, wenn Sie auf den Teppichen nicht schlafen können«, sagte er. »Ich weiß, daß Sie müde sind, und werde Sie nicht stören. Sie haben morgen eine lange Reise vor sich.«
Varnett und Vardia suchten sich weiche Stellen und waren nach wenigen Minuten eingeschlafen. Wuju blieb lange wach, sah schließlich zu Brazil hinüber und entdeckte, daß auch er nicht schlief. Sie ging mühsam hinüber.
»Woran denkst du?« fragte sie leise.
»Über diese Welt denke ich nach. Über die Expedition. Über uns – nicht nur über uns beide, über uns alle. Es geht zu Ende, Wuju. Kein Anfang mehr, nur noch Ende.«
»Was wird aus uns werden, Nathan?« fragte sie.
»Nichts. Alles. Es hängt davon ab, wer du bist«, erwiderte er rätselhaft. »Du wirst sehen, was ich meine. Wenn du die Wahl hättest, wenn du als das, was du bestimmen könntest, zu unserem Sektor des Weltraumes zurückzukehren vermöchtest, was würdest du wählen?«
Sie überlegte.
»Ich habe nie daran gedacht zurückzugehen«, flüsterte sie.
»Aber wenn du es könntest, und wenn du bestimmen dürftest, was würdest du dir aussuchen?«
Sie lachte tonlos.
»Als Farmarbeiterin hatte ich keine Träume. Uns wurde beigebracht, mit allem zufrieden zu sein. Aber als ich im Parteihaus Hure war, unterhielten wir uns manchmal darüber. Frauen und Männer wurden getrennt, und wir wurden mit Hormonen vollgepumpt, aber hinaus kamen wir nicht. Wir erfuhren von den Parteigenossen, wie es draußen war, und träumten davon hinauszukommen, vielleicht andere Welten zu sehen. Nun gut, wenn ich wählen könnte, möchte ich reich sein, so lange leben, wie ich wollte, immer jung und sehr schön sein. Nicht auf einer Kom-Welt, versteht sich.«
»Weiter. Noch etwas?«
»Ich möchte dich unter denselben Bedingungen haben«, erwiderte sie.
Er lachte, ehrlich geschmeichelt und erfreut.
»Aber wenn ich nun nicht da wäre?« fuhr er, wieder ernst geworden, fort. »Wenn du allein wärst?«
»Daran will ich nicht einmal denken.«
»Komm, es ist doch nur ein Spiel.«
Sie hob den Kopf und dachte wieder nach.
»Wenn du nicht da wärst, glaube ich, möchte ich ein Mann sein.«
Hätte Brazil ein menschliches Gesicht besessen, seine Brauen wären vor Entgeisterung hochgezuckt.
»Ein Mann? Warum das?«
Sie zuckte die Achseln und wirkte ein wenig verlegen.
»Ich weiß es eigentlich nicht. Ich habe vorhin gesagt, jung und schön. Männer sind größer, stärker, sie werden nicht vergewaltigt, sie werden nicht schwanger. Ich möchte vielleicht Kinder haben, aber – nun, ich glaube, außer dir könnte mich kein Mann reizen, Nathan. Für die Männer im Parteihaus war ich eine Maschine, eine Sexmaschine. Die anderen Mädchen waren meine wirklichen Mitmenschen, meine Familie. Sie mochten mich. Deshalb hat die Partei mich Hain überlassen, Nathan – ich war so weit, daß ich mit Männern überhaupt nichts mehr anfangen konnte, nur noch mit Frauen. Sie fühlten, sie waren nicht – nun, nicht bedrohlich. Alle Männer, die ich traf, waren es – nur du nicht. Kannst du das verstehen?«
»Ich glaube schon«, sagte er langsam. »Es ist natürlich, wenn man deine Vergangenheit bedenkt. Andererseits gibt es viele Welten, wo Homosexualität akzeptiert wird und man Kinder durch Klonen oder künstliche Befruchtung bekommen kann. Und Männer haben natürlich ebenso viele Probleme und Macken wie die Frauen. Das Gras ist nicht grüner, nur anders.«
»Das könnte das Angenehme daran sein. Ich bin es schließlich noch nie gewesen – so,
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