Sechseckwelt 01 - Die Sechseck-Welt
uns gewandt, und wir machen uns natürlich große Sorgen. Das Interesse der Ulik liegt – nun, offen gesagt, dem unseren näher. Wir kennen sie und verstehen sie. Wir sind seit Jahrtausenden gut mit ihnen ausgekommen. Mit ihrer Hilfe konnten wir überleben, als sich hier die Umwelt veränderte und der Boden zu Sand wurde. Aber Sie alle – einschließlich Mr. Ortega – sind nur mit unserer Duldung hier, und wir lassen keine Verletzung der Souveränität zu.«
»Was sagt er?« fragte Vardia, und die anderen wirkten ebenso verwirrt. Brazil begriff zum erstenmal, daß sie nichts mehr verstanden. Die Dolmetschgeräte waren mit ihren früheren Körpern verschwunden.
»Verzeihung, Euer Gnaden«, sagte Brazil höflich. »Ich werde übersetzen müssen, weil meine Begleiter keine Dolmetscher haben.«
Die Echse sah die drei Menschen an.
»Hmmm… Höchst merkwürdig. Es hieß, ich hätte mit einer Dillianerin, einer Czillanerin und einem Creiten zu rechnen. Wir hörten, Sie wären eine Antilope, und das scheint als einziges richtig zu sein. Sie sind Mr. Brazil, nicht wahr?«
»Der bin ich. Das männliche Wesen ist Mr. Varnett, das weibliche mit Brüsten Wuju, und das unentwickelte Vardia. Wir mußten durch Ivrom. Das ist an sich schon eine Leistung, möchte ich meinen – unverwandelt hindurchzugelangen, wäre ein Wunder gewesen.«
»Gewiß. Wir hatten aber keine Zweifel, daß Sie durchkommen würden, obwohl der Teufel los war, als Sie drei Tage verschwanden. Wir haben alle diplomatischen Hebel in Bewegung gesetzt, um zu ermitteln, wer Sie festhielt.«
»Dann gehörte die Verzauberung nicht zu Ortegas Tricks?« fragte Brazil. »Er schien sehr sicher zu sein, daß wir durchkommen würden.«
»O nein, er rechnete damit, daß Sie steckenbleiben würden«, erwiderte der Herzog gelassen. »Aber wir von Ghlmon beherrschen die Künste besser als die schmutzigen Wilden in Ivrom. Es ging nur darum, Sie zu finden. Wir hatten die andere Gruppe bereits, so daß nichts beeinträchtigt worden ist, solange es auch dauerte.«
»Wie geht es nun weiter?« fragte Brazil ruhig.
»Ach, in dieser Nacht sind Sie natürlich meine Gäste«, erwiderte der Herzog liebenswürdig. »Morgen setzen wir Sie in einen Sandhai-Expreß und bringen Sie zur Hauptstadt Quodlikm, wo Sie mit Ortega und der anderen Gruppe zusammentreffen. Von da an führt Ortega Regie, aber wir werden natürlich aufpassen.« Der Herzog klopfte seine Pfeife aus. Der Inhalt roch wie Schießpulver. »Alles ist für Sie vorbereitet«, sagte er. »Können wir? Es ist nicht weit.«
»Haben wir die Wahl?« fragte Brazil.
Der kleine Dinosaurier wirkte wieder verletzt.
»Versteht sich. Sie können zurück über die Grenze oder ins Meer springen. Aber wenn Sie vorhaben, in Ghlmon zu bleiben, werden Sie tun, was wir wünschen.«
»In Ordnung«, sagte der Antilopenbock. »Gehen wir.«
Sie folgten dem kleinen Dinosaurier schweigend den Strand entlang, etwa einen Kilometer weit. Dort war am Wasser ein riesiges Zelt aus Leinwand oder ähnlichem Stoff errichtet. Am Mittelmast flatterte eine Fahne. Mehrere Ghlmonesen standen in der Nähe und versuchten, ihre Langeweile zu verbergen.
Zwei am Zelt nahmen stramme Haltung an, als der Herzog herankam.
»Alles bereit?« fragte er.
»Der Tisch ist gedeckt, Euer Gnaden«, erwiderte einer. »Alles sollte nach Wunsch geraten sein.«
Der Herzog nickte und betrat das Zelt, gefolgt von den anderen.
Im Inneren sah es aus wie eine Abbildung aus einem mittelalterlichen Handbuch. Der Boden war mit dicken Teppichen bedeckt, in der Mitte stand ein langer, niedriger Holztisch mit merkwürdig riechenden Gerichten. Es gab keine Stühle, aber für die menschlichen Mitglieder der Gruppe wurden rasch Deckenrollen oder Teppichrollen gebracht, damit sie es sich bequem machen konnten.
»Sehr schlicht, aber es wird genügen müssen«, sagte der Herzog. »Das Essen werden Sie vertragen – Botschafter Ortega war hier sehr hilfreich. Wir haben Sie natürlich nicht in diesen Formen erwartet, aber das sollte kein Problem sein. Schade, daß Sie nicht im Schloß untergebracht werden konnten.«
»Wo ist Ihr Schloß?« fragte Brazil. »Ich habe keine Gebäude gesehen.«
»Unter dem Boden, versteht sich«, erwiderte der Herzog. »Ghlmon war nicht immer so wie jetzt. Über Jahrtausende hinweg hat es sich langsam verändert. Wir begriffen, daß wir gegen den Sand nicht aufkamen, und lernten, unter ihm zu leben. Durch Schächte, die ständig reingehalten werden,
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