Sechseckwelt 02 - Exil Sechseck-Welt
hinzu. »Seitdem habe ich sozusagen das Familiengeschäft fortgeführt. Ich habe für das Beste bezahlt, was die Unterwelt zu bieten hat, und mich in Topform gehalten. Chirurgen haben mich in eine tödliche kleine Waffe verwandelt und Dinge eingebaut, an die Sie im Traum nicht denken würden. Selbst wenn man mich je fassen sollte, würde man das, was ich Ihnen eben erzählt habe, auch selbst mit Tiefensonden nicht herausholen können.«
»Sie sind beauftragt worden, Nikki herauszuholen, nicht?« sagte er.
»Ja. Wenn man einen Gauner nicht erwischen kann, setz ihn dazu ein, andere Gauner zu fangen. Das war der Gedanke. Es hätte beinahe geklappt.«
Er gab einen Brummlaut von sich.
»Über mich gibt es eigentlich nichts zu sagen«, erklärte er leise. »Nichts Gewalttätiges oder Romantisches.«
»Sie sagten, Sie wären Lehrer gewesen«, meinte sie.
Er nickte.
»Ich komme von Moskowitien«, erwiderte er. »Eine Kom-Welt, ja, aber keine wirklich schlimme. Nichts von genetischer Manipulation. Traditionelle Familienstruktur und fünfmal am Tag Gebete – ›Es gibt keinen Gott außer Marx, und Lenin ist sein Prophet‹.« Er suchte merklich nach Worten. Sie fielen ihm schwer. Es schien ihm nicht aufzufallen. »Ich war begabt, also kam ich in die Schule. Etwas Nützliches interessierte mich aber nicht, deshalb studierte ich alte Literatur« – er sprach es aus, so gut er konnte – »und wurde Lehrer. Ich war immer ein wenig feminin, aber nicht innerlich. Man lachte mich oft aus. Das tat weh. Selbst die Schüler waren gemein, meist hinter meinem Rücken, aber ich wußte genau, was sie sagten. Ich mochte die Männer nicht, die andere Männer wollen, und die Frauen glaubten alle, ich wollte sie nicht. Ich zog mich in mich selbst zurück.«
»Warum nicht zum Psychiater?«
»Ich bin ein paarmal zu solchen Leuten gegangen«, antwortete er. »Sie redeten alle wildes Zeug, ob ich meinen Vater geliebt hätte und dergleichen mehr. Nichts wirkte. Ich wurde immer unglücklicher. Ich dachte an Selbstmord, aber das schienen die Untersuchungen ergeben zu haben, und die Polizei kam und holte mich. Ich kam in das politische Heim. Man schien das persönlich übelzunehmen, meinen Wunsch, mich umzubringen. Wenn ich versagt hatte, dann hatte das ganze System versagt, so ungefähr. Man überlegte, ob man mich löschen und zur Frau machen sollte, mit einer neuen Persönlichkeit.«
»Warum hat man Sie nicht einfach getötet, und aus?« fragte Mavra. »Das wäre billiger und einfacher gewesen.«
Er sah sie entsetzt an, dann dachte er an ihre Herkunft.
»Auf Kom-Welten tut man so etwas einfach nicht. Jedenfalls nicht auf Moskowitien. Nein, ich wurde dort lange festgehalten, ich weiß nicht genau, wie lange. Dann kam jemand und erklärte mir, ein hohes Tier wolle mit mir reden. Ich hatte keine Wahl, also ging ich hin. Er war von einer anderen Kom-Welt, einer ganz verkommenen – echter Hermaphroditismus, genetisch identische Menschen, darauf programmiert, ihre Arbeit zu lieben, und so weiter. Er sagte, er brauche – ausgerechnet! – einen Bibliothekar. Leute, die Bücher lesen konnten und mit ihnen vertraut waren, gab es selten, gewiß. Selbst Moskowitien hatte zweiundneunzig Prozent Anal-Nicht-Leser.« Wieder hatte er Schwierigkeiten mit den längeren Wörtern.
»Trelig«, sagte sie.
Er nickte.
»Genau. Ich wurde mit seinem Schiff nach Neu-Pompeii gebracht, bekam eine große Überdosis Schwamm und war süchtig. Meine Mädchenhaftigkeit verstärkte sich hundertfach, meine Züge und mein Körper wurden immer weiblicher, bis hin zu den Brüsten. Aber es war seltsam. Meine männlichen Organe wuchsen sogar noch, und im Kopf blieb ich ein Mann. Auf Neu-Pompeii hatte ich dann mein erstes sexuelles Erlebnis. Ich war auch wirklich sein Bibliothekar – und zugleich einer der Aufseher für besondere Gefangene wie Nikki. Alle Leute auf Neu-Pompeii hatten psychische Probleme irgendeiner Art und eine besondere Fähigkeit, die Trelig nutzen konnte. Er rekrutierte sein Personal bei den besten Anstalten im Kom-Verband.«
»Und hier sind Sie«, sagte sie leise.
»Ja, hier bin ich«, nickte er seufzend. »Als ich Ziggi niederschoß und Ihnen half, zu entkommen, fühlte ich, daß es die erste wichtige Tat in meinem Leben war. Ich kam mir beinahe vor, als wäre ich nur für diesen einen Augenblick geboren worden. Und jetzt sehen Sie sich an, in welcher Klemme wir sitzen.«
Sie küßte ihn sanft auf die Wange.
»Schlafen Sie, und machen Sie sich
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