Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
im Stroh und nähere sich ihr. Sie war überrascht, denn sie hätte wetten mögen, daß bis jetzt nur Tiere im Stall gewesen waren. Sie wartete, eher neugierig als angstvoll, bis sie feststellen konnte, wer – und was – das sein mochte. Daß man sie töten würde, war unwahrscheinlich; sie erkannte eine Geisel auf Anhieb, auch wenn sie es selbst war.
Das Wesen trat aus den Schatten und kam ganz nah heran. Ihre Miene hellte sich auf, als sie es sah, und das Geschöpf legte einen zottigen Finger an die Schnauze, damit sie still blieb.
»Wir müssen rasch handeln«, flüsterte der Gedemondaner. »Wir haben sehr wenig Zeit und viel zu tun.«
»Wie… wie lange sind Sie schon hier?« fragte sie leise.
»Seit Gedemondas«, sagte das Wesen. »Wir haben uns ferngehalten, wie das unsere Art ist. Wir dachten, sie würden sich auf Brazil stürzen, nicht auf dich, deshalb konnten wir das hier nicht verhindern. Der Schaden am Schacht behindert unser Denken.«
»Sie hatten keine Gewißheit, daß er es wirklich ist«, erklärte sie. »Deshalb wollen sie ihn mit mir erpressen. Sie werden sich wundern.«
»Nichtsdestoweniger bist du für ihn unverzichtbar«, behauptete der Gedemondaner. »Er wird ohne dich die Reparatur nicht ausführen. Und vielleicht bekommt er gar keine Gelegenheit dazu. Meine Brüder und Schwestern bei euren Truppen berichten mir, daß es nicht Brazil ist, der sehr an dir hängt und erpreßt wird.«
Sie sah ihn verwundert an.
»Asam? Aber – was könnte er tun?«
»Brazil im Austausch für dich ausliefern«, kam die Antwort. »Und wir glauben, daß er das tut.« Der Gedemondaner erklärte ihr kurz die sadistische Verschwörung, die er vor wenigen Stunden in dieser Scheune belauscht hatte.
»Aber was können wir dagegen tun?« fragte sie mit gepreßter Stimme. »Wenn wahr ist, was Sie sagen, bin ich… gelähmt, völlig gelähmt.« Ihre Stimme schwankte.
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, erklärte der Gedemondaner. »Die erste ist die, Sie zu töten. Das würde sie einer Geisel berauben und Brazil wenigstens eine Chance geben, das Richtige zu tun.«
Sie dachte darüber nach.
»Ich glaube, ich will lieber tot sein, als… in dieser Verfassung… auf lange Zeit.« Sie meinte es ernst, aber es wirkte beinahe abstrakt, als bespräche sie ein theoretisches Problem, von dem sie selbst gar nicht betroffen war. Sie brauchte mehr Zeit, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß sie eine Statue war, ein lebender Klumpen regungsloses Fleisch.
»Es gibt nur eine andere Möglichkeit, die Risiko und Experiment zugleich ist«, sagte der Gedemondaner. »Bitte, glaub mir, daß sie sehr geschickt vorgegangen sind. Dein Körper kann sich außer unter dem Zauber der Dahir nicht mehr bewegen.«
Sie dachte beunruhigt an kleine, eselartige Wesen.
»Wie sieht die Möglichkeit aus?«
»Es gibt eine Prozedur, eine sehr seltsame, die von einigen Sechseck-Welten-Rassen benützt wird, meistens im Norden«, erklärte ihr das weiße, zottige Geschöpf. »Man kennt das hier im Süden nur an einem einzigen Ort – und es ist für den, der es versucht, ebenso gefährlich wie für den Betroffenen. Es handelt sich um die Übertragung der Seele.«
Sie starrte ihn an.
»Sie meinen, ein Überwechseln in einen anderen Körper?«
Der Gedemondaner nickte.
»Genau das. Der Intellekt ist etwas, das unter bestimmten Bedingungen aus dem Körper gerissen werden kann. Wir haben das selbst schon getan, sind aber immer wieder in unser eigenes körperliches Ich zurückgekehrt. In deinem Fall ist das natürlich nicht möglich, und wir könnten es dir in den Stunden, vielleicht nur Minuten, die uns noch bleiben, auch nicht beibringen.«
»Sie meinen, ich würde den Körper tauschen? Mit einem von Ihnen – oder den Dahir oder einem anderen Wesen?« Sie war fasziniert.
»Nicht direkt«, erwiderte der Gedemondaner behutsam. »Zwei Seelen können nur auf Kosten völligen Wahnsinns denselben Körper bewohnen. Ein Austausch ist theoretisch möglich, aber noch nie versucht worden. Es geht etwas verloren. Der Körper stößt den Neuankömmling ab, wie die Einpflanzung eines anderen Herzens oder sonstigen Organs abgestoßen wird.«
Ihre Hoffnung sank.
»Wovon sprechen Sie dann?«
»Ein Austausch ist zwar sowenig möglich wie eine Doppelexistenz, aber die komplexe Seele eines komplexen Wesens könnte in den Körper eines Tieres versetzt werden, dessen eigenes Ich so schwach ist, daß es wenig oder keinen Widerstand leistet.«
»Die Wuckl haben
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