Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
Nichtbeachtung der Felswand ein Fehler sein mochte. Wenn es auf dieser Welt Wesen gab, die massives Gestein durchdringen konnten, fand man Dutzende, die an senkrechten Felswänden kleben oder sich bis zur Unsichtbarkeit tarnen konnten. Einige von der letzteren Art hätten in der fernen Vergangenheit im weit entfernten Glathriel beinahe ihren Untergang bedeutet.
Der vorderste Jäger hatte die bewußte Stelle auf der anderen Seite der Hütte erreicht. Sie blieb hinter dem Halbkreis der Männer zurück, fühlte sich hilflos und ein wenig gereizt, weil sie diesen Dingen nicht gewachsen war. Und trotz ihrer großen Masse war sie immer noch kleiner, aber nicht wendiger als die Männer.
Immerhin bildete sie die Nachhut, das Schwert in Bereitschaft, und zog die Brille wieder über die Augen, die schon ein wenig zu schmerzen begannen.
»Colonel!« rief der vorderste Mann. Seine Stimme hallte von den Felswänden nah und fern schwach wider. »Drei Leute. Jäger. Von uns. Übel zugerichtet. Man hat sie zerstückelt und dann über die Felswand geworfen. Sie liegen vierzig, fünfzig Meter weiter unten, wo der Hang flacher wird.« Er versuchte nicht zu flüstern. Wenn die Mörder noch in der Nähe waren, wußten sie gewiß, wo die Leichen lagen.
Asam überlegte, dann drehte er sich nach Mavra um.
»Könnten es Gedemondaner gewesen sein, die das getan haben?«
Sie schüttelte heftig den Kopf.
»Ausgeschlossen. Wenn sie dich töten wollen, richten sie einfach den Finger auf dich, du rollst dich zusammen und stirbst.«
»Dachte ich mir fast«, murmelte der Colonel und blickte wieder auf die Hütte. »Also, Jungs, machen wir einen Besuch.«
Sie näherten sich der Hütte langsam und bedächtig von allen Seiten, bis der vorderste nur noch wenige Meter von der Eingangstür entfernt war. Es war Mavra, die zum erstenmal sah, daß sie sich zwanzig oder dreißig Meter ins Freie gewagt hatten, von oben her gesehen. Da oben war etwas, ein Schatten, ein Etwas…
» Asam! « kreischte sie. »Über und hinter Ihnen!«
In diesem Augenblick schnellten sich die Angreifer hoch oben ab und stürzten auf sie herab. Sie waren mehr als ein Dutzend, manche bewaffnet mit Piken, andere mit Armbrüsten, wieder andere mit Schwertern.
Sie waren Fledermäuse – nein, irgendeine Art Affen mit Fledermausflügeln – oder – was sie auch sein mochten, sie waren klein und wendig, sie konnten fliegen, hatten glühende Augen und scharfe Zähne, und sie trugen Uniformen von matter Kupferfarbe.
Aber sie flogen nicht herab, sondern vollführten gesteuerte Sprünge wie Fallschirmakrobaten, doch mit einer gewissen Manövrierfähigkeit, und sie stießen besonders fremdartige Kreischlaute aus, die wie schrille Dudelsäcke bei Jodelversuchen klangen.
Zwei mit Armbrüsten feuerten ihre Bolzen ab, während sie noch herabstürzten, verfehlten aber ihre Ziele, und die Geschosse fetzten in den Schnee; Hodl und ein anderer, die schräg zur Sturzrichtung standen, fuhren herum und hoben ihre Armbrüste. Aus dieser standfesten Haltung heraus konnten sie sie nicht verfehlen. Die Wucht der Dillianer-Bolzen war so groß, daß die beiden Getroffenen schlagartig zurückgeschleudert zu werden schienen, an die Felswand prallten und schlaff zu einem neuen Angriff ansetzten.
Inzwischen hatten die anderen sich jedoch auf sie gestürzt. Zwei sprangen Asam gleichzeitig an. Sie waren klein, aber außerordentlich kraftvoll; einer warf sich auf seinen Kopf und den Rumpf, der andere auf seine Hinterbacken. Der Colonel bäumte sich auf und krümmte sich, schleuderte den einen von seinem Hinterteil, ließ den Bogen fallen, packte das andere Wesen bei seinen ausgestreckten, gefährlichen Krallen und hieb es mit ungeheurer Wucht an die Felswand.
Bevor Mavra wußte, wie ihr geschah, griff eines der Geschöpfe sie an. Sie wartete, dann warf sie sich nach vorn, beide Hände am Schwertgriff.
Das Wesen spießte sich auf der Klinge auf und verspritzte dickes, rotes Blut, aber tot war es nicht; auf irgendeine Weise, schrecklichen Haß in seinem verzerrten, unfaßbar häßlichen Gesicht, hob sein rechter Arm den spitzen Speer, während sein Körpergewicht am Breitschwert Mavra mit zu Boden riß. Es blieb ihr nur ein Sekundenbruchteil, um zu entscheiden, was sie tun sollte. Im Sturz, aus dem Gleichgewicht geraten, gab es nur eines, was sie tun konnte: Sie ließ sich fallen und überschlug sich, der Speer zuckte heran, durchbohrte ihre dicke Pelzjacke, und sie spürte an der linken Körperseite
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