Sechselauten
geworden, organisierte er die Olympiade 1972 in München mit. Dort sind sie sich zum ersten Mal begegnet, der Präsident und er.«
Eschenbach fiel auf, dass Lara den Mann an der Spitze der FIFA nie beim Namen nannte. Auch jetzt nicht, da sie von einer Zeit sprach, die über dreißig Jahre zurücklag.
»Der Präsident arbeitete damals für Longines S.A., eine Schweizer Uhrenfirma, und war in München für die Zeitmessung zuständig. Dort hat alles angefangen. Kronenberger hat ihn in die internationale Sportszene eingeführt, zusammen mit meinem Vater. Und drei Jahre später wurde der Präsident technischer Direktor bei der FIFA .«
»Wir sind da«, sagte der Taxifahrer.
»Erzähl weiter«, sagte Eschenbach.
»Wo war ich stehengeblieben?«
»Kronenberger.«
»Der wurde Geschäftsführer der Sportagentur ISL und managte die Eishockey- WM in Deutschland. Dann war er Direktorbeim Sportartikelhersteller Adidas. Kronenberger weiß genau, wie das Geschäft funktioniert – wie man auf die Schnelle noch Stimmen organisiert. Das hat er seinerzeit bei Adidas-Chef Horst Dassler gelernt. Und die gekaufte Weltmeisterschaft …« Lara kicherte. »Das hat auch er gedreht.«
»Für die FIFA ?«
»Für Deutschland. Die Weltmeisterschaft 2006 – sie hätte eigentlich an Südafrika gehen sollen.«
»Wir sind da«, sagte der Taxifahrer zum zweiten Mal.
Eschenbach fischte ein paar Pfundnoten aus dem Hosensack und reichte sie nach vorne. Dann nahm er seine Reisetasche. »Kronenberger hat sich schon früh bei den Großen des Sports eingeschmeichelt. Dassler, Havelange und dann Kirch.«
»Kirch, der Medien-Kirch?«
Lara nickte.
Sie stiegen aus. Auf dem Weg ins Flughafengebäude redete Lara weiter: »Kirch ist heute pleite. Aber er wäre wohl kaum den Bach hinunter, wenn nicht ein paar Finanzleute in Frankfurt noch eine Rechnung mit ihm offen gehabt hätten. Er war ihnen zu mächtig geworden.«
Eschenbach sah sich nach den Abflugschaltern um.
»Hier geht’s lang«, sagte Lara. Eschenbach folgte ihr.
»Kirch wurde zum größten Filmhändler Europas, obwohl er nahezu blind war … Das muss man sich erst einmal vorstellen. Er hatte seine Transaktionen im Kopf. Alles im Kopf, verstehst du? Ein Imperium von verschachtelten Firmen und Beteiligungen … Am Ende gehörte ihm mit der FIFA -Fußballweltmeisterschaft der zweitgrößte Sportanlass der Welt. Dazu kam noch der Formel- 1 -Zirkus. Diese ganzen Bilder, die rund um den Globus gehen, sie gehörten ihm … einem Blinden!«
Eschenbach merkte, wie sich Lara veränderte. Mit jedem Satz, den sie sagte, verschwand ein Stück Zerbrechlichkeit, und die kleinen Unsicherheiten, die sie ihm so sympathisch hatten werden lassen, wichen einer harten, analytischen Klarheit. Das großeSpiel der Hochfinanz war ihr Terrain. Es war, als kehrte ein entlaufenes Pferd zurück auf die Koppel seiner Stallung.
»Geh dort rüber«, sagte Lara und deutete auf einen freien Schalter. »Du hast ja nur Handgepäck.«
Nachdem Eschenbach sich eine Bordkarte hatte geben lassen, gingen sie quer durch die Halle zur Passkontrolle.
»Kronenberger hatte den kleinen Schweizer nie aus den Augen verloren. Er hatte ihn immer präsent, im Hinterkopf … So, wie man eine Glücksmünze immer bei sich hat, weil man glaubt, es komme der Moment, in dem man sie braucht. Irgendwann bringen wir ihn hinauf, hatte er gesagt.«
Sie standen vor der Abschrankung, hinter der nur noch Passagiere zugelassen waren. Eschenbach hielt Ticket und Pass in der Hand. Aber weil Lara nicht aufhörte zu reden, stellte er seine Reisetasche wieder auf den Boden.
»Es war an meinem sechzehnten Geburtstag. Wir saßen auf der Terrasse von Chez Vrony in Findeln bei Zermatt. Vor uns klotzte das Matterhorn, dieser viel zu schöne Berg. Wegen des Föhns wirkte er so nah, dass wir glaubten, wir könnten ihn anspucken: ›Dort hinauf bringen wir ihn‹, hatte Kronenberger gegrunzt: ›Dort hinauf, unseren Sh … efph!‹ Er war besoffen und hatte den Namen verschluckt. Deshalb schrie er nochmals: ›Dort hinauf!‹ Dann schleuderte er das Champagnerglas über die Holzbalustrade in den Schnee. Der halbe Sprudel traf mich … spritzte mir mitten ins Gesicht, und ohne es recht zu wollen, knallte ich ihm eins an die Ohren.«
»Kronenberger?«
»Königsmacher Kronenberger, hat mein Vater gelallt. Alle lachten und grölten. Und der Staranwalt warf das nächste Glas. Wieder spritzte es, und abermals schlug ich zu.«
Eschenbach sah Lara an, und
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