Sechselauten
Sicherheitspolizei, die Regionalpolizei, die Seepolizei und die Kriminalpolizei (deren Leiter Eschenbach war). Aber auf den rund neunhundert Hektaren östlich von Zürich galten andere Regeln. Hier übernahm die Flughafenpolizei sämtliche Aufgaben selbst; war also Kriminal-, Verkehrs-, Sicherheits- und Grenzpolizei. Sie schützte Menschen und Sachwerte vor kriminellenHandlungen, führte polizeiliche Ermittlungen durch und vollzog die Grenzkontrolle (Aus- und Einreise).
»Von wo reisen Sie ein?«, fragte der Beamte im Glashäuschen.
»London.«
»Zu welchem Zweck waren Sie dort?«
»Vergnügungszweck.«
»So, so.« Der Mann hackte auf der Tastatur seines Computers, zog eine Braue hoch und blätterte im Pass. »Aha«, machte er, und nochmals: »So, so.«
»Genau.«
»Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend, Herr Eschenbach.«
Neben der Kontrolle von Passagieren, Gepäck und Fracht wurden am Flughafen auch Asylbefragungen durchgeführt und Ausschaffungen vollzogen (sofern sie über den Luftweg erfolgten).
In den Lautsprechern knackte es, und ein Aufruf folgte: Bitte melden Sie unbeaufsichtigte Gepäckstücke sofort bei der hiesigen Polizei.
Eschenbach nahm seinen Pass, und weil er nur Handgepäck hatte, ging er an den Laufbändern vorbei in Richtung Ausgang.
Natürlich kannte er den Mann, der in dieser Welt das Kommando führte und über das Kommen und Gehen genauso wachte wie über herrenlose Koffer und Taschen. Alfons Meier war wie er selbst direkt Elisabeth Kobler unterstellt. Sie hatten sich regelmäßig bei Führungssitzungen getroffen, bei Seminaren und Kaderausflügen. Beide hatten sie denselben Rang, auch wenn Eschenbach aufgrund seines Alters und dem deutlichen Plus an Dienstjahren zwei Gehaltsklassen über Meier lag.
In diese Gedanken versunken, steuerte Eschenbach auf die große Glastür zu, hinter der sich eine wartende Schar von Angehörigen auf ihre Liebsten freute. Der Kommissar zuckte zusammen, als plötzlich ein Zollbeamter vor ihm stand. Es war ein kleiner Dicker mit Schnurrbart und glänzender Stirn.
»Wenn Sie bitte mal hier nach drüben …«
Eschenbach unterdrückte einen Seufzer und wunderte sich, was man noch von ihm wollte.
»Ihre Tasche bitte.«
»Nur zu«, sagte der Kommissar. Er dachte daran, wie er letzten Herbst zusammen mit Alfons beim internen Tischfußballturnier den dritten Platz gewonnen hatte. Meier war für die Tore verantwortlich gewesen, während er selbst hinten dicht gemacht hatte.
»Was ist das hier?«
»Ein Notizbuch, schwarz«, sagte Eschenbach.
Für Kobler war es wichtig, dass man zusammenspannte, harmonierte und dieselben Ziele verfolgte. Es ginge nicht ums Gewinnen, hatte sie erklärt – vielleicht auch deshalb, weil sie selbst bei den Teamübungen nie auf die ersten Plätze kam.
»Und sonst?« Der Beamte, der sich bis zum Boden von Eschenbachs Tasche vorgekämpft hatte, sah Eschenbach etwas ungläubig an. In der Hand hielt er noch immer das schwarze Buch.
»Sonst nichts.« Eschenbach zuckte die Schultern.
Der kleine Mann blätterte durch die Notizen und sah zwischendurch dem Kommissar in die Augen.
»Reisenotizen«, sagte Eschenbach.
»Mhm«, machte der Mann, bevor er sich nochmals der Tasche zuwandte und den Bildband von William Turner genauer betrachtete.
»Ein Geschenk von einer Freundin.«
»Englisch.« Der Zollbeamte nickte. »Meine Kinder lernen’s schon in der ersten Klasse. Die haben’s besser als unsereins.«
»Da sehen Sie nur.«
Es folgte eine Leibesvisite, und es dauerte nicht lange, bis der kleine Mann die CD in den Händen hielt. »Ich werf da noch kurz einen Blick drauf, wenn Sie gestatten.«
Eschenbach nickte. Minuten vergingen, und der Kommissar fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte.
»Ist alles in Ordnung«, sagte der Mann, als er zurückkam und Eschenbach die Hülle mit der CD entgegenstreckte. »Reine Routine. Ich danke Ihnen fürs Verständnis.«
Eschenbach brütete über den Vorfall nach, während er mit der S 2 zum Bahnhof fuhr. War es wirklich Zufall, dass man gerade ihn aus der Masse herausgepickt hatte? Der Kommissar hatte ein ungutes Gefühl. Der Beamte hatte sogar den Boden seiner Reisetasche herausgerissen.
Vom Bahnhof bis zum Paradeplatz nahm Eschenbach die Tram. Sein Handy klingelte. Auf dem Display leuchtete KOBLER auf. Er steckte das Telefon zurück in die Hosentasche und stieg aus. Das kleine Stück bis zu seiner Wohnung ging er zu Fuß. Was wollte Kobler von ihm? Ein paarmal rutschte
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