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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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wollte er wissen.
    »Wart’s ab«, murmelte sie, huschte um eine weitere Ecke, und wieder stand Schrank an Schrank. Feuerfest. Und einer glich dem andern aufs Haar.
    Der Kommissar stellte sich vor, was passierte, wenn das Licht ausginge und sie aus diesem Labyrinth nicht mehr herausfänden.
    »Willst du mich einmauern lassen?«
    Lara lachte auf. »Du hast immer noch keine besonders hohe Meinung von mir, stimmt’s?«
    Eschenbach schwieg. Plötzlich war es ihm unangenehm, dass sie sich duzten.
    »Vaters Privatsachen«, sagte Lara. »Ich hab sie nach hier unten verfrachten lassen. Damals, als ich nicht wusste, wohin damit. Ein Teil der Firma gehört ja mir, und das bringt die merkwürdigsten Privilegien mit sich. Es sind zwei Aktenschränke und ein paar Kisten mit persönlichen Dingen. Ich kann dir nicht einmal sagen, was alles drin ist. Zwei, drei Mal hab ich’s versucht. Die Fotoalben, Briefe, die sich meine Eltern geschrieben haben …Vaters Lieblingspfeife. Ich wollte mir die Dinge anschauen … später. Aber aus später wurde nie.«
    Eschenbach sah, wie Laras Hände wieder leicht zu zittern begannen.
    »Ich hab gedacht, irgendwann wäscht sich der Schmerz aus, und ich sehe mir die Sachen an. Manchmal habe ich ihn sogar vergessen, aber jetzt … Es ist alles wieder da.«
    »Vielleicht auf der anderen Seite«, sagte Eschenbach. Doch er merkte, dass ihm Lara gar nicht zuhörte.
    »Sie liegen noch immer in der Gegend von Saas Fee.« Ihre Stimme begann zu brechen. »Unter ewigem Eis.«
    »Deine Eltern?«
    »Mhm … Man hat sie nie gefunden.« Es war das erste Mal, dass Lara den Unfall ihrer Eltern erwähnte. Eschenbach hatte darüber bisher nur gelesen. In einem der Berichte, die Lenz ihm gegeben hatte. Die Bischoffs und ihr Bergführer waren vom Wetter überrascht worden, auf der Nordroute zum Allalinhorn.
    »Die Suche musste damals wegen Dunkelheit und Schneefall abgebrochen werden. Und zwei Tage später, bei besserem Wetter, haben wir nichts mehr gefunden. Nicht einmal mehr Spuren.« Lara ging einen Schritt auf Eschenbach zu. »Halt mich fest. Bitte.«
    Der Kommissar drückte sie behutsam an sich, dabei glitt ihm eine seiner Krücken aus der Hand und fiel scheppernd zu Boden. Lara zuckte zusammen und löste sich von ihm.
    »Vor fünf Jahren gab’s diesen heißen Sommer«, sagte sie nach einer Weile. »Der hat viel Schnee geschmolzen in den Bergen. Ich habe wirklich geglaubt, jetzt finden wir sie. Mit dem Helikopter haben wir die Gegend abgesucht, wie jedes Jahr. Aber nach diesem Sommer habe ich aufgegeben. Es ist nicht einfach, zwei leere Särge in die Erde zu lassen.«
    Eschenbach hob seine Krücke auf.
    Dabei fiel sein Blick auf einen alten Holzschrank, daneben zwei aufeinandergestapelte Kartonschachteln. Laras Augen folgten seinem Blick.
    »Bingo.«
    Die Schranktüren waren versiegelt und die Kisten mit einem Klebeband verschlossen. »Bischoff« und »Private & Confidential« stand überall darauf; mit roten, dicken Lettern.
    »Da ist es also«, sagte Eschenbach. Er stützte sich auf die Krücken.
    Lara trennte mit den Fingernägeln das Siegelband am Schrank, öffnete ihn und durchsuchte die Hängeregistraturen, die Ordner und Papierberge. »Wenn es diese Akte überhaupt gibt, dann muss sie irgendwo hier sein.«
    Es dauerte nicht lang, und der Boden war übersät mit Büchern, Schachteln und allerlei kleinem Nippes. Ein großer Bergkristall stand neben zwei Porzellanfiguren, alte gerahmte Fotos waren dabei, Aschenbecher, Diplome und Prospekte. Lara kniete auf dem kalten Stein und stöberte in den Sachen. Manchmal hielt sie ein Stück etwas länger in den Händen, bevor sie es sorgsam beiseitelegte und weitersuchte.
    Eschenbach stand etwas abseits und sah Lara zu. Er fragte sich, welchen Trödel er einmal hinterlassen würde. Die Bischoffs waren reiche Leute gewesen, aber was er erkennen konnte, hatten sie dieselben kleinen Dinge weitergegeben, die sich in seinem Leben auch angesammelt hatten.
    »Ich find keine Akte«, sagte Lara. Etwas mutlos ließ sie die Schultern hängen.
    Eschenbach ging auf sie zu und half ihr beim Aufstehen.
    Lara schnaufte. »Ich weiß nicht, was vor neun, zehn Jahren passiert ist, weshalb sich Charlotte plötzlich von mir abgewandt hatte. Aber ich bin sicher, es hat mit Kronenberger zu tun. Er hat ihr die Stelle bei der FIFA verschafft … Es war damals, als greife eine fremde Hand in ihr Leben. Und diese Hand hat Charlotte nicht mehr losgelassen.«
    »Waren sie denn ein

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