Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus (German Edition)
folgerichtig gewesen, gewundert habe er sich jedoch, als er »ein wenig abseits die einsame Gestalt von Marschall Achromejew entdeckte«. Zu Lebzeiten Sacharows waren sie Gegner gewesen, unversöhnliche Opponenten. (Pause.) Aber Achromejew war gekommen, um Abschied zu nehmen … Aus dem Kreml war sonst niemand dort … auch nicht vom Generalstab …
… kaum war ein bisschen Freiheit da, zeigte sich sofort überall die Fratze des Kleinbürgers. Für Marschall Achromejew, den bescheidenen Asketen, war das ein Schlag. Mitten ins Herz. Er konnte nicht glauben, dass bei uns Kapitalismus herrschen könnte. Mit unseren sowjetischen Menschen, mit unserer sowjetischen Geschichte … (Pause.) Ich habe bis heute diese Bilder vor Augen: Durch die staatliche Datscha, die Achromejew mit seiner achtköpfigen Familie bewohnte, läuft ein blondes junges Mädchen und schreit: »Seht euch das an – zwei Kühlschränke und zwei Fernseher! Wer ist er denn, dieser Marschall Achromejew, dass er zwei Fernseher und zwei Kühlschränke besitzt?« Heute herrscht Schweigen … kein Ton mehr … Dabei sind alle früheren Rekorde in Sachen Datscha, Wohnung, Auto und sonstige Privilegien längst geschlagen. Luxuriöse Wagen, westliche Möbel in den Büros, Urlaub nicht auf der Krim, sondern in Italien … In unseren Büros standen sowjetische Möbel, und wir fuhren sowjetische Autos. Trugen sowjetische Anzüge und Schuhe. Chruschtschow stammte aus einer Bergarbeiterfamilie … Kossygin aus einer Bauernfamilie … Sie alle kamen, wie gesagt, aus dem Krieg. Ihre Lebenserfahrung war natürlich begrenzt. Nicht nur das Volk, auch die Regierenden lebten ja hinter dem Eisernen Vorhang. Alle lebten wie in einem Aquarium … (Pause.) Und auch … das ist vielleicht ein unwesentliches Detail, aber dass Marschall Schukow nach dem Krieg in Ungnade fiel, hat nicht nur mit Stalins Eifersucht auf dessen Ruhm zu tun, sondern auch mit der Anzahl der aus Deutschland mitgebrachten Teppiche, Möbel und Jagdgewehre, die er auf seiner Datscha aufbewahrte. Obwohl das alles zusammen in zwei PKW Platz gefunden hätte. Aber ein Bolschewik durfte nicht so viel Zeug besitzen … Heute klingt das lächerlich … (Pause.) Gorbatschow liebte Luxus … In Foros hat er sich eine Datscha bauen lassen … Marmor aus Italien, Fliesen aus Deutschland … Sand für den Strand aus Bulgarien … Kein westlicher Regierungschef besaß dergleichen. Stalins Datscha auf der Krim erinnerte gegen die von Gorbatschow eher an ein Wohnheim. (Pause.) Die Generalsekretäre veränderten sich … Besonders ihre Frauen …
Und wer verteidigte den Kommunismus? Nicht Professoren und nicht ZK -Sekretäre … nein, eine Leningrader Chemiedozentin blies zur Verteidigung des Kommunismus … Ihr Artikel Ich kann meine Prinzipien nicht verleugnen erregte großes Aufsehen. Auch Achromejew hat viel geschrieben … öffentlich geredet … Er sagte zu mir: »Wir müssen zurückschlagen.« Er bekam Drohanrufe: »Kriegsverbrecher« – wegen Afghanistan. Kaum jemand wusste, dass er gegen den Afghanistan-Krieg gewesen war. Und dass er keine Diamanten und Edelsteine aus Kabul mitgebracht hatte, keine Bilder aus der Nationalgalerie, wie andere Generäle. In der Presse wurde ständig gegen ihn gehetzt … Weil er den »neuen Historikern« im Weg war, die beweisen mussten, dass wir nichts vorzuweisen hätten, dass hinter uns eine Wüste liege. Dass es auch den Sieg nicht gegeben hätte. Nur NKWD -Truppen und Strafbataillone. Den Krieg hätten angeblich Kriminelle gewonnen, sie seien mit Maschinengewehren im Rücken bis Berlin marschiert. Von wegen Sieg! Ganz Europa mit Leichen übersät … (Pause.) Die Armee wurde beleidigt und gedemütigt. Hätte eine solche Armee etwa 1991 siegen können? (Pause.) Und hätte ihr Marschall das überleben können?
Achromejews Beerdigung … Am Grab standen Angehörige und einige Freunde. Es gab keinen militärischen Salut. Die Prawda würdigte den einstigen Chef des Generalstabs einer Vier-Millionen-Armee keines Nachrufs. Der neue Verteidigungsminister Schaposchnikow (Exminister Jasow saß wie die anderen »Putschisten« im Gefängnis), war wohl ganz damit beschäftigt, die Wohnung von Jasow in Besitz zu nehmen, aus der man dessen Frau umgehend hinausgesetzt hatte. Egoistische Interessen … Aber … ich will noch etwas sagen … das ist wichtig … Man kann den Mitgliedern des GKT schP alles Mögliche vorwerfen, aber keine egoistischen Ziele. Keinen Eigennutz … (Pause.) In den
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