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S.E.C.R.E.T.

S.E.C.R.E.T.

Titel: S.E.C.R.E.T. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. Marie Adeline
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nicht das Alleinsein, das mir Angst einjagte. Das war leicht. Immerhin hatte ich mich mein Leben lang allein gefühlt, sogar während meiner Ehe. Nein, ich fürchtete, dass alle anderen, die Menschen, die sicher und geborgen in einer Partnerschaft lebten, mich als Frau betrachteten, die leer ausgegangen war. Eine-die-keiner-will, Die-sexuell-Vergessene. Ich stellte mir vor, dass sie auf mich deuteten und hinter meinem Rücken flüsterten. Ich stellte mir vor, dass sie mich bemitleideten. Selbst ich behandelte einsame Kunden im Café mit besonderer Behutsamkeit, als ob sie ein wenig schwerhörig wären oder so etwas. Gelegentlich ertappte ich mich sogar dabei, wie ich mich länger als notwendig an ihrem Tisch aufhielt, weil ich ihnen etwas Gesellschaft leisten wollte.
    Aber vielleicht wollten manche Menschen, die allein ausgingen, ja allein sein. Das sollte es geben. Sie waren selbstbewusst, einzelgängerisch, selbstsicher, zufrieden mit der eigenen Gesellschaft. Tracina beispielsweise bezahlte jemanden, der ihren vierzehnjährigen Bruder jeden Samstagnachmittag zum Eisessen mitnahm, damit sie auf der Couch liegen und ungestört fernsehen konnte. Sie sagte mal, dass sie es außerordentlich genoss, allein ins Kino zu gehen. »Ich kann mir ansehen, was ich will, essen, ohne mit jemandem teilen zu müssen, und muss mir auch den Nachspann nicht ansehen, was Will immer möchte, wenn ich mit ihm gehe«, erläuterte sie.
    Es ist leicht, allein zu sein, wenn man die Wahl hat, doch deutlich schwieriger, wenn man es ohnehin schon ist.
    Ich verging fast vor Angst bei dem Gedanken, diesen Jazz-Club zu betreten. Dann besann ich mich auf den Rat, den mir Matilda für Schritt zwei gegeben hatte. In einem aufmunternden Telefonat hatte sie gesagt: »Angst ist nichts weiter als Angst. Wir müssen uns ihr stellen und die Initiative ergreifen, Cassie. Wenn wir handeln, wächst unser Mut!«
    Verdammt. Ich konnte das.
    Ich rief Danica an, damit sie den Wagen schickte.
    »Ist schon auf dem Weg, Cassie. Viel Glück«, sagte sie.
    Zehn Minuten später bog das Auto um die Ecke und hielt vor dem Hotel der alten Jungfern an. Ah! Ich war noch nicht so weit! Mit den Schuhen in der Hand nahm ich immer zwei Treppenstufen auf einmal und rannte barfuß an einer sehr verwirrten Anna Delmonte vorbei.
    »Ich sehe diese Limousine jetzt schon zum zweiten Mal vor unserem Haus parken«, bemerkte sie, als ich vorbeihuschte. »Wissen Sie etwas darüber, Cassie? Das ist so merkwürdig …«
    »Ich rede mit dem Fahrer, Anna. Keine Sorge. Vielleicht ist es ja auch eine Frau, nicht wahr? Man weiß nie.«
    »Ich nehme an …«
    Ohne mir ihren restlichen Kommentar anzuhören, sprang ich in den Wagen und zog meine Schuhe an. Der Gedanke amüsierte mich. Man stelle sich vor, Anna wüsste, was ich vorhatte! Ich wollte ihr zurufen: Ich bin keine alte Jungfer! Zum ersten Mal seit Jahren fühle ich mich lebendig!
    Während die Limousine mich zur Canal Street fuhr, blickte ich an meinem Kleid hinab – ein bequemes, schwarzes Teil, das obenrum eng anlag und sich dann zu einem weiten Rock bauschte, der kurz über dem Knie endete. Es brachte meine Figur zur Geltung und bekam auch meinen Brüsten nicht schlecht, die sich deutlich vom schwarzen Umriss des Bustiers abhoben. Meine Schuhe drückten etwas, aber ich wusste, dass sich das im Laufe des Abends legen würde. Schwarze Pumps passen schließlich zu allem, sagte ich mir in dem Versuch, das kleine Vermögen, das ich dafür ausgegeben hatte, zu rechtfertigen. Ich trug einen Seitenscheitel und hatte das Haar glatt geföhnt. Vorn wurde es von einer goldenen Haarspange gehalten. Sie war das einzige Schmuckstück, das ich trug, abgesehen – natürlich – von meinem S.E.C.R.E.T.-Armband mit dem einzelnen Anhänger.
    »Sie sehen heute Abend sehr hübsch aus, Miss Robichaud«, sagte der Fahrer. Ich hatte den Eindruck, dass S.E.C.R.E.T.-Mitarbeiter die Anweisung hatten, professionellen Abstand zu halten. Nur Danica schien das schwerzufallen. Sie war unbezähmbar. Mein »Danke« schaffte es kaum noch durch die Trennscheibe, bevor sie sich zwischen uns schloss.
    Mein Herz klopfte bei jeder Kreuzung lauter. Ich versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Matilda hatte mir geraten: »Versuche nicht im Voraus dir vorzustellen, was passieren wird. Versuche, im Augenblick zu leben.«
    Der Wagen blieb vor The Saint stehen. Meine Hand war so schweißnass, dass sie vom Türgriff abrutschte, aber der Fahrer war bereits zur Stelle. Er war schon

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