S.E.C.R.E.T.
ausgestiegen und um den Wagen herumgegangen, um die Tür zu öffnen und mir hinauszuhelfen. »Viel Glück, meine Liebe«, sagte er.
Ich nickte dankbar, dann blieb ich einen Augenblick stehen, um die gut aussehenden Menschen dieser Stadt zu beobachten, die hinein-und hinausströmten. Langbeinige, forsche Frauen, die von einer Aura aus Parfüm und Selbstbewusstsein umgeben waren, und ihre Männer, stolz, weil sie mit diesen Frauen gesehen wurden. Und dann war da noch ich. Mir fiel ein, dass ich vergessen hatte, einen Duft aufzutragen. Mein Haar, das noch vor einer Stunde glatt geföhnt gewesen war, begann sich zu kräuseln. Bei dem Gedanken daran, dass diese Fantasie sich in der Öffentlichkeit abspielen würde, sank mein Herz. Dort gehört es ja auch eigentlich hin , dachte ich, in den Unterbauch, wo es geschützter ist und man sein ängstliches Klopfen besser verbergen kann. Und doch, so nervös ich war, ich war auch … neugierig. Ich holte tief Luft und ging hinein, direkt auf die Aufzüge zu.
Ein kleiner Mann in Hoteluniform tauchte zu meiner Rechten auf. »Kann ich Ihre Eintrittskarte mal sehen?«
»Oh ja«, sagte ich und wühlte in meiner Clutch. »Hier.«
Er betrachtete das Ticket, dann mich und räusperte sich. »Nun ja«, sagte er und drückte den Aufzugknopf nach oben. »Dann willkommen im The Saint . Wir hoffen, dass Sie den Aufenthalt genießen werden.«
»Oh, ein Aufenthalt ist gar nicht geplant. Ich treffe mich nur mit … mit … Also, ich höre , ich höre die Musik.«
»Natürlich. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.« Er verbeugte sich und trat ein paar Schritte zurück.
Der Aufzug verschluckte mich, und mein armer, geplagter Magen rebellierte bei der Fahrt nach oben noch mehr. Ich schloss die Augen, lehnte mich gegen die kühle, verspiegelte Wand und hielt mich krampfhaft am Geländer fest.
Als der Aufzug sich dem Penthouse Club näherte, hörte ich gedämpfte Musik und viele Stimmen. Die Türen öffneten sich, und ich sah zahlreiche elegant gekleidete Menschen, die sich in der halbdunklen Lobby zusammendrängten. Noch mehr Leute standen in der Bar hinter den Glastüren. Es kostete mich übermenschliche Anstrengung, meine Hände vom Geländer zu lösen und das sichere Refugium des Aufzugs zu verlassen, um mich in die Menge zu stürzen.
Jeder Einzelne hielt ein Glas Champagner in den Händen und war in eine scheinbar interessante Unterhaltung verwickelt. Manche Frauen warfen mir über die Schulter einen herausfordernden Blick zu wie einem potenziellen Gegner. Auch ihre männlichen Begleiter musterten mich interessiert. Las ich etwa Interesse in ihren Augen? Nein. Das konnte nicht sein.
Langsam bahnte ich mir einen Weg durch die Menge und hielt den Blick gesenkt, wobei ich mich immer wieder fragte, was zum Teufel ich an solch einem todschicken Ort zu suchen hatte. Ich entdeckte ein paar lokale Berühmtheiten: Kay Ladoucer vom Stadtrat, die verschiedenen namhaften Wohltätigkeitsorganisationen vorstand. Sie führte eine angeregte Unterhaltung mit Pierre Castille, gut aussehender Bauunternehmer, Millionär und dafür bekannt, dass er zurückgezogen als Junggeselle lebte. Er sah in meine Richtung, und ich wandte den Blick ab. Dann bemerkte ich, wo er tatsächlich hinguckte. Neben mir stand eine Gruppe verspielter Töchter der Südstaaten-Oberschicht, jene Art von Mädchen, deren Fotos man auf den Klatsch-und-Tratsch-Seiten der Tageszeitungen findet.
Heute Abend spielte die Smoking Time Jazz Club Band, aber sie waren noch nicht auf der Bühne. Ich hatte sie schon einmal im Blue Nile gehört. Besonders gefiel mir die Lead-Sängerin, eine skurrile junge Frau mit rasiertem Schädel und kraftvoller Stimme, die die Zuhörer sofort in den Bann zieht. Aber ich war ja nicht nur hier, um die Musik zu hören. Wen sollte ich wohl treffen, und wie würde sich alles entwickeln? Trotz meiner Nervosität konnte ich nicht umhin, einen großen, attraktiven Mann zu bemerken, der mit einer langbeinigen Frau in einem gewagten, roten Kleid sprach. Während ich die beiden beobachtete (diskret, wie ich dachte), beendete er die Unterhaltung und kam zu mir herüber. Mir blieb die Luft weg, als er mir den Weg zur Bar versperrte.
»Hallo«, sagte er und lächelte mich an. Mit seinen grünen Augen und dem blonden Haar sah er aus, als wäre er direkt einer Modezeitschrift entstiegen. Er trug einen gut geschnittenen grauen Anzug und ein weißes Hemd. Dazu eine dünne, schwarze Krawatte. Ich schätzte ihn auf ungefähr
Weitere Kostenlose Bücher