Secrets of Love - Teil 1
Er brüllte das ganze Haus zusammen. Ich geriet in Panik, als wäre ich noch der achtjährige Junge, an dem er sich das erste Mal verging. Obwohl ich ihn lange überragte, seinen schwitzigen Schädel in meiner rechten Hand problemlos hätte zerquetschen können.“ Er hob die Hand und formte die langen, dunklen Finger zu Klauen, betrachtete sie sekundenlang, bevor er weitersprach. „Nicolais fassungsloser Gesichtsausdruck führte mir vor Augen, wie unbegreiflich meine Angst vor meinem Vater war. Und doch … als er die Tür zu meinem Zimmer aufriss, taumelte ich einen Schritt zurück. Er ohrfeigte mich und brüllte Nicolai an, dass er verschwinden sollte. Er lallte und spuckte dabei, schwankte und konnte sich kaum auf seinen Beinen halten. Aber Nicolai blickte nur regungslos auf ihn herab. Als mein Vater seinen respektlosen Blick sah, flippte er völlig aus, schlug Nicolai mit der Faust ins Gesicht. Und in diesem Moment, … diesem Moment, in dem er meinem einzigen Freund zu nahe kam, brannte mir eine Sicherung durch. Ich sprang auf und schlug ihn nieder. Er war so überrascht, dass er sich nicht zur Wehr setzte und rücklinks gegen die Kante eines Regals knallte. Als er regungslos auf dem Boden lag, sich eine immer größere Blutlache um seinen Kopf herum ausbreitete, standen wir einfach daneben und blickten auf ihn herab. Nicolai wischte sich das Blut vom Mundwinkel und schüttelte den Kopf. Es war das erste Mal, dass ich jemanden sterben sah. Es war das erste Mal seit Jahren, dass ich aufatmen konnte. Und plötzlich konnte ich wieder klar denken. Ich schickte Nicolai nach Hause und rief die Polizei an. Mein Vater war aktenkundig und nicht erst einmal mit kleineren Delikten aufgefallen, mehr als eine Nacht hatte er in der Ausnüchterungszelle verbracht. Niemand zweifelte daran, dass er im Suff gestürzt war. Wir haben ihn nicht getötet“, schloss er gedankenverloren. „Aber gerettet … haben wir ihn auch nicht.“
Als sein Kinn auf die Brust sank, begriff Daria, dass er mit seiner Erzählung am Ende war. Sie drückte seine Finger und suchte seinen Blick. Als er zu ihr aufsah, wurde ihr klar, dass dies offenbar nur ein Teil der Geschichte war.
„Diese Jahre der Erniedrigung“, sagte Spock leise, „machen es mir unmöglich Menschen unvoreingenommen zu berühren, aber sie sind nicht der Grund dafür, jedenfalls nicht primär, dass ich mich so krampfhaft von dir fernhalten möchte.“
Diese Worte trieben Darias Puls in die Höhe und jagten ihr eine ehrliche, tief empfundene Angst ein. Was könnte ihn mehr traumatisiert haben, als die unsägliche Gewalt seines Vaters?
„Erzähl es mir“, verlangte sie mit hohler Stimme und konnte nicht anders als ihm ihre Hand zu entziehen und sich so wenigstens ein Stückweit gegen das zu wappnen, was sie als nächstes zu hören bekommen würde.
„Bevor wir nach Russland gingen, Nicolai und ich, studierten wir. Er studierte Ökonomie, ich studierte Medizin. Wir waren an derselben Uni, verbrachten viel Zeit miteinander, während der Nicolai immer versuchte mich aus meinem eremitenhaften Dasein zu befreien , wie er es nannte. Als besonders bedauernswert empfand er dabei mein selbstauferlegtes Zölibat.“ Gabriel schluckte und starrte geradeaus ins Leere. „Er wollte mir immer wieder irgendwelche Mädchen aufschwatzen und ich sah ja die Blicke. Ich spürte das Interesse. Doch ich konnte und ich wollte mich auf nichts und niemanden einlassen. Nicolai aber war der festen Überzeugung, dass es bei mir lediglich einer körperlichen Erweckung bedurfte.“ Er wusste augenscheinlich nicht, wie er es besser formulieren konnte. „Oft hatte er weiblichen Besuch und an diesem Abend kam er mit zwei Mädchen in unsere Wohnung. Man musste kein Prophet sein, um zu wissen, dass die eine davon für mich und die andere für ihn bestimmt sein sollte. Beide Mädchen waren attraktiv. Und eines davon war sichtlich an mir interessiert. Nicolai ließ uns allein. Das was mir an Erfahrung fehlte, hatte sie ganz offenbar zu viel. Sie kam auf mich zu und …“ Er verzog angewidert das Gesicht, was Darias plötzlich aufsteigende Eifersucht ein wenig linderte. „Als sie mich berührte, versuchte ich alles Vergangene auszublenden, versuchte mich einzulassen auf sie. Doch in ihrem Blick war kein Gefühl. Wie hätte es das auch jemals sein können? Es war Verlangen darin, Wollust und dieses begehrende und gleichzeitig eisige Leuchten in ihren Augen … es war, wie bei meinem Vater. Ich wusste, dass
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