See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
Mädels waren schon eine eingeschworene Gemeinschaft auf der Schule. Da hatten es die Jungs nicht leicht, oder?«
»Wem sagst du das?«, bestätigte Shannon mit einem süffisanten Grinsen. Dann verdüsterte sich ihre Stimmung merklich. »Es ist wirklich schade, dass davon nichts übrig geblieben ist.«
»Was ist eigentlich mit Kate?«, wollte Tess wissen. »Sie wohnt doch auch noch hier im Ort. Habt ihr gar nichts mehr miteinander zu tun?«
Shannon verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ich weiß auch nicht, warum, aber sie ist so merkwürdig geworden. Vielleicht denkt sie ja, sie wäre etwas Besseres, weil sie eine Bankfiliale leitet und ich nur Haare schneide. Jedenfalls haben wir so gut wie keinen Kontakt mehr. Sie geht sogar nach Medford zum Friseur, nur um nicht zu mir kommen zu müssen.«
»Komisch, das passt eigentlich gar nicht zu ihr«, sinnierte Tess. »Aber mir gegenüber war sie auch plötzlich so distanziert.« Sie zuckte die Achseln. »Da kann man wohl nichts machen. Hast du eigentlich noch einmal etwas von Millie gehört? Sie scheint ja sang- und klanglos aus Shadow Lake verschwunden zu sein.«
Shannon winkte ab. »Ach, das ist ja schon Jahre her. Das war kurz nachdem du nach San Francisco gezogen bist. Aber wirklich überrascht hat es hier niemanden. Millie wollte doch eigentlich immer schon raus aus Shadow Lake und in den Süden gehen. Nach Kalifornien vielleicht.« Sie lachte laut auf. »Wahrscheinlich tingelt sie jetzt mit irgendeinem Möchtegern-Rockstar durch die Clubs und verschwendet nicht einen einzigen Gedanken an ihre alte Heimat.«
Auch Tess konnte sich bei dem Gedanken ein Grinsen nicht verkneifen. »Das würde ganz gut zu ihr passen«, stimmte sie zu.
Kurz darauf war die Frisur fertig. Insgeheim war Tess ganz froh, das Gespräch mit Shannon beenden zu können. Sie hatte festgestellt, dass sie keinen richtigen Draht mehr zu ihrer alten Freundin hatte.
»Wie lange bleibst du eigentlich noch in Shadow Lake?«, erkundigte sich Shannon, nachdem Tess bezahlt hatte.
»Das weiß ich selbst noch nicht so ganz genau«, antwortete Tess wahrheitsgemäß. »Ein paar Sachen muss ich noch regeln, bevor ich wieder zurück kann. Vor allem muss ich überlegen, was ich mit Ellens Haus mache. Am liebsten wäre mir, wenn ich so schnell wie möglich einen Käufer an Land ziehen würde. Aber wahrscheinlich wird es nicht einfach jemanden zu finden, der nach Shadow Lake ziehen will.«
Shannon überlegte kurz, dann hellte sich ihre Miene auf. »Es müsste ja nicht unbedingt jemand sein, der hierherziehen will. Es wäre ja auch möglich, dass jemand, der schon hier wohnt, eine neue Bleibe sucht. Vielleicht wüsste ich da sogar jemanden. Hast du schon gehört, dass euer Nachbarhaus wieder bewohnt ist?«
»Das alte Haus der Teckbergs? Diese Bruchbude?«, fragte Tess ungläubig. »Du machst Witze!«
»Nein, das ist mein voller Ernst.« Shannon lachte. »Ein Kerl namens Greg Koborski hat es gemietet. Seit fünf oder sechs Jahren wohnt er jetzt darin. Ich konnte es auch kaum fassen, dass sich da jemand freiwillig aufhält, aber er scheint sich ganz wohl zu fühlen. Er ist zwar ein etwas merkwürdiger Typ, aber das kann dir ja egal sein. Vielleicht hat er Interesse an Ellens Haus. An deiner Stelle würde ich einfach mal vorbeigehen und fragen. Soweit ich weiß, ist er meistens zu Hause.«
»Aber wenn er nicht arbeitet, wird er sich kaum ein Haus leisten können«, wandte Tess ein.
»Doch, doch, er arbeitet schon, allerdings von zu Hause aus. Er schreibt wohl Artikel für irgendwelche Zeitschriften. Was er da aber genau macht, kann ich dir nicht sagen. Wie gesagt, er ist ein merkwürdiger Kauz und gibt nicht allzu viel von sich preis.«
»Ja, dann danke für den Tipp. Vielleicht frage ich ihn wirklich mal. Ansonsten wird es ja wahrscheinlich schwierig, einen Käufer zu finden.«
Tess nahm Shannon zum Abschied kurz in den Arm. »Jedenfalls hat es mich sehr gefreut, dich wiederzusehen«, beteuerte sie, auch wenn es ihr selbst ein wenig heuchlerisch vorkam. Auch bei Shannon hatte sie den Eindruck, dass sie nicht traurig darüber war, sich von ihr verabschieden zu können.
Aber eine Sache beschäftigte sie. Während sie den Salon verließ, fragte sie sich immer noch, wo sie den Namen Greg Koborski schon einmal gehört hatte.
16. Kapitel
Seitdem sie nach Shadow Lake gekommen war, hatte Tess von Ellens Vorräten und dem, was sie aus San Francisco mitgebracht hatte, gelebt. Aber jetzt war beinahe alles
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