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See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)

See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)

Titel: See der Schatten - Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Aaron
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aufgebraucht. Daher ließ es sich nicht länger vermeiden, sie musste ein paar Lebensmittel einkaufen.
    Sie stand vor ihrem Wagen, den sie vor Shannons Salon abgestellt hatte, und überlegte. Einen Moment war sie in Versuchung, sich in ihr Auto zu setzen und die knapp dreißig Meilen nach Medford zu fahren. Dort gab es einen großen Supermarkt, wo sie alles bekommen würde, was sie in den nächsten Tagen brauchte. Wenn sie sich dort ordentlich eindeckte, konnte sie vielleicht die restliche Zeit, die sie noch in Shadow Lake verbringen musste, ohne weiteren Einkauf überstehen.
    Aber dann entschied sie sich dagegen. Das Sortiment im Laden der Millers wäre für ihre Bedürfnisse absolut ausreichend. Außerdem war es längst Zeit, sich der Begegnung mit Joannas Eltern zu stellen.
    Da in Shadow Lake alles nah beieinanderlag, brauchte sie nur wenige Minuten zum Geschäft der Millers. Als sie eintrat, erklang das vertraute helle Klingeln, das schon seit ihrer Kindheit jeden Kunden anzeigte.
    Der Laden war ein typisches Kleinstadt-Geschäft. Er bot den Bewohnern des Ortes alles, was sie zum täglichen Leben brauchten. Die Auswahl war allerdings ziemlich eingeschränkt, und außergewöhnliche Lebensmittel oder Spezialitäten suchte man hier vergebens.
    Wendy Miller war gerade dabei, Konservendosen aus einem großen Karton in ein Regal zu sortieren. Auf den ersten Blick wirkte sie genauso wie früher, aber bei näherem Hinsehen erkannte Tess, dass sie in den letzten Jahren stark gealtert war. Ihrer gebeugten Haltung und den tiefen Furchen um den Mund nach schienen seit Joannas Tod viel mehr als sieben Jahre vergangen zu sein.
    Mit einem professionellen Lächeln im Gesicht blickte Wendy auf. Doch als sie Tess erkannte, erstarb das Lächeln und machte einem kühlen, verächtlichen Gesichtsausdruck Platz.
    »Oh, Tess«, sagte sie nur kurz. Dann wandte sie sich ab und fuhr mit ihrer Arbeit fort, ohne ihr auch nur einen weiteren Blick zu gönnen.
    »Hallo Mrs Miller«, grüßte Tess trotzdem freundlich. Als keine weitere Reaktion der Ladenbesitzerin kam, schnappte sich Tess einen der an der Tür stehenden Einkaufskörbe und begann die Sachen zusammenzusuchen, die sie benötigte. Sie überlegte angestrengt, was sie alles brauchte. Sie wollte nicht am nächsten Tag schon wieder in den Laden gehen müssen, weil sie etwas vergessen hatte.
    Es dauerte nicht lange, bis sie alles gefunden hatte: eine Packung Nudeln, ein kleiner Sack Kartoffeln, Milch und Joghurt, ein Netz Orangen, ein paar Äpfel und etwas frisches Gemüse. Dann wandte sie sich an Joannas Mutter, die nach wie vor Dosen einsortierte. »Mrs Miller? Ich hätte gern noch ein Brot«, bat sie freundlich.
    Die Ladenbesitzerin antwortete nicht. Stattdessen ging sie ein paar Schritte auf den Vorhang zu, hinter dem eine Treppe hoch zu den Privaträumen der Millers führte. Mit rauer Stimme rief sie: »Frank, kommst du mal bitte runter?« Dann wandte sie sich wieder ihren Dosen zu, wobei sie peinlich genau darauf zu achten schien, ihre unerwünschte Kundin nicht zufällig mit einem Blick zu streifen. Ihr Gesicht drückte kalte Verachtung aus.
    Tess zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Sie wusste, dass sie von den Millers keine ausgesucht freundliche Behandlung zu erwarten hatte. Aber mit einer solchen Ablehnung hatte sie nicht gerechnet. Während sie wartete, merkte sie, dass sie vor Enttäuschung leicht zu zittern begann. Auch unterdrückte Wut mischte sich dazu.
    Kurz darauf erklangen Schritte auf der Treppe. Unwillkürlich musste Tess daran denken, dass sie selbst Hunderte Male diese Stufen heraufgesprungen war, um ihre Freundin Joanna zu besuchen. Deren Zimmer hatte gleich rechts von der Treppe gelegen. Bei der Erinnerung daran hatte Tess plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Aber sie hielt tapfer durch und lächelte den alten Mann an, der in diesem Moment den Vorhang zur Seite schob und in den Laden trat.
    »Was gibt es denn, Schatz?«, fragte er an Wendy gewandt. Dann sah er Tess. Zuerst zeigte sich Erstaunen auf seinem Gesicht, dann lächelte er zaghaft.
    »Tess, das ist ja eine Überraschung. Ich freue mich, dich zu sehen«, meinte er. Es klang aufrichtig. Mit einem Seitenblick auf seine Frau stellte er fest, dass diese die Freundin ihrer Tochter nach wie vor ignorierte. Er wirkte verlegen, als er fragte: »Wie geht es dir denn?«
    Wie soll es jemandem gehen, der gerade den einzigen Verwandten, zu dem er überhaupt noch Kontakt hatte, beerdigt hat?, dachte

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