See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
Claire Meyers durch einen Unfall umgekommen ist und dass die MacIntyre sich selbst das Licht ausgeknipst hat. Und was Millie Walls angeht, hatten wir keinen Anlass, überhaupt zu ermitteln. Sie war volljährig, als sie von hier abgehauen ist, und sie hat ihre Sachen von zuhause mitgenommen. Außerdem hat keiner eine Vermisstenanzeige gestellt, nicht einmal ihre Eltern, und das spricht ja wohl Bände!«
Er schlug wütend mit der Faust auf den Tresen. Dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort um, verschwand in seinem Zimmer und schmiss die Tür mit viel Schwung hinter sich zu.
Tess verfolgte seinen Abgang mit einem leichten Kopfschütteln. Eigentlich hätte sie sich gleich denken können, dass ihr der Besuch hier nichts bringen würde, aber einen Versuch war es wert gewesen. Aus den Augenwinkeln beobachtete Tess noch, wie Ruth und der Deputy leise miteinander tuschelten und immer wieder zu ihr herübersahen. Aber sie versuchte, es nicht weiter zu beachten.
Als sie die Polizeistation verließ und wieder auf die deutlich wärmere Straße hinaustrat, fluchte sie immer noch lautlos vor sich hin. Auch wenn sie selbst sich eben nicht gerade vorbildlich verhalten hatte, war es doch kaum zu glauben, was für ein ignoranter Sturkopf dieser Sheriff war!
35. Kapitel
Am Nachmittag beschloss Tess, endlich etwas in die Tat umzusetzen, das sie sich schon lange vorgenommen hatte: Sie wollte wie geplant Mrs Pretzky ein Päckchen Kaffee bringen, um sich damit bei ihr für ihre Hilfe beim Heraussuchen der Zeitungsartikel über Claire und Susannah zu bedanken.
Das Problem war nur, dass sie dafür erst Kaffee besorgen musste. Mit einem mulmigen Gefühl betrat sie den Laden der Millers. Nach ihrer letzten Begegnung war sie darauf vorbereitet, sofort aus dem Geschäft geworfen zu werden, sobald Mr oder Mrs Miller sie erblickten. Aber es war nur ein junges Mädchen im Laden, das gerade damit beschäftigt war, Fischkonserven in ein Regal zu sortieren. Wahrscheinlich arbeitete sie aushilfsweise hier. Tess schätzte sie auf siebzehn oder achtzehn Jahre. Sie muss ungefähr so alt sein wie Joanna, als sie erstochen wurde, schoss es ihr durch den Kopf.
Das Mädchen lächelte ihr schüchtern zu. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie höflich.
»Danke, ich komme schon klar«, winkte Tess ab. So schnell wie möglich suchte sie die Sachen zusammen, die sie brauchte. Außer dem Kaffee für Mrs Pretzky nahm sie auch gleich noch etwas frisches Obst mit. Sie war erleichtert, dass ihr eine weitere Begegnung mit den Millers erspart geblieben war, und wollte nicht riskieren, doch noch auf einen von den beiden zu treffen.
Nachdem sie bezahlt hatte, machte sie sich auf den Weg zur Shadow Lake Gazette. Mrs Pretzky war gerade mit einem Kunden beschäftigt, als Tess hereinkam. Trotzdem winkte sie ihr freundlich zu und gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie kurz warten solle.
Wieder wunderte sich Tess über die plötzliche Freundlichkeit der alten Dame, die früher als so griesgrämig bekannt gewesen war. Während Mrs Pretzky weiterhin den Anzeigentext des Kunden aufnahm – Tess glaubte in ihm den Vorarbeiter einer nahegelegenen Farm zu erkennen – überlegte Tess, ob sich die alte Frau generell so verändert hatte. Sie hatte allerdings den leisen Verdacht, dass Mrs Pretzky genau deshalb so freundlich war, weil die Hennesseys in Shadow Lake inzwischen ziemlich unbeliebt waren. Der alte Drachen hatte sich schon immer gern einen Spaß daraus gemacht, gegen den Strom zu schwimmen. Sie tat eigentlich nie das, was man von ihr erwartete..
Nachdem der Vorarbeiter endlich seinen Anzeigentext ausgesucht und sich mit einem Kopfnicken verabschiedet hatte, konnte Tess ihr Geschenk loswerden. Mit einem strahlenden Lächeln hielt sie Mrs Pretzky das Päckchen Kaffee hin.
»Ich möchte mich bei Ihnen für Ihre Hilfe bedanken. Ich weiß ja, dass Sie gern Kaffee trinken, deshalb habe ich gedacht, hiermit könnte ich Ihnen eine kleine Freude machen«, sagte sie. Bei der Aushilfe im Laden der Millers hatte sich Tess sogar noch erkundigt, welche Marke Mrs Pretzky bevorzugte.
Die alte Frau nahm den Kaffee mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck entgegen. »Wäre aber nicht nötig gewesen«, murmelte sie.
»Doch«, widersprach Tess bestimmt. »Sie haben mir wirklich sehr geholfen.«
»Bist du denn inzwischen weitergekommen bei deinem Vorhaben?«, fragte Mrs Pretzky neugierig.
Tess musste sich ein Grinsen verkneifen. Eigentlich hatte die alte Dame
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