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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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die streitenden Parteien
und verfolgte aufmerksam das Schauspiel, vereinzelt wurde Beifall gespendet.
Als es Preuss mit Jos Unterstützung endlich gelang, die Eindringlinge endgültig
abzuwehren, gehörte die Sympathie der Zaungäste eindeutig den Söldnern. Mit
stolzgeschwellter Brust und kaum verhohlenem Grinsen stellten sich die
Landsknechte erneut in Zweierreihen auf, rückten hier ihr federgeschmücktes
Barett und dort das geschlitzte Wams oder die gepuffte Hose zurecht, ehe sie im
Gleichschritt in Richtung Rathaus abmarschierten, von wo sie wenige Minuten
zuvor gekommen waren. Dankbar klatschten die Zuschauer erneut Beifall, ehe sie
sich wieder in alle Winde zerstreuten.
    »Moment mal!« Wolf starrte zu den Landsknechten
hinüber. »Wie viele Männer marschieren da gerade ab?«
    Marsberg zählte nach. »Sechs. Wieso?«
    »Verdammt!« Wolf schlug mit der flachen Hand auf das
Fensterbrett. »Bei ihrer Ankunft waren es sieben, ihren Hauptmann
mitgerechnet!«
    Doch zum Nachdenken blieb keine Zeit, denn in diesem
Augenblick meldete sich Preuss: »Hier stimmt was nicht. Wir brauchen
Verstärkung, schnell!«
    In Windeseile polterte Wolf die Treppe hinab,
durchquerte die im Erdgeschoss liegenden Ladenräume und rannte über den Platz
zur Turmpforte hinüber, Marsberg dicht hinter ihm. Die Pforte war offen, die
Turmtür ebenso, von Preuss jedoch keine Spur. Welche gottverdammte Schweinerei
war hier im Gange? Während Wolf im dämmrigen Schein einiger weniger
kümmerlicher Glühbirnen die Treppen hochhetzte, überschlugen sich in seinem
Kopf die Gedanken. Hoffentlich hatten sie die Sache nicht versaut und trafen
Pohl noch lebend an!
    Kurz bevor sie oben angelangten, ging Wolf die Puste
aus, auch Marsberg schwächelte. Zwei, drei Sekunden lang japsten sie nach Luft,
dann schleppten sie sich weiter und erreichten endlich mit letzter Kraft die
Tür, die auf die Plattform hinausführte. Was würde sie dahinter erwarten?
    Die
plötzliche Helligkeit wirkte wie ein Schlag. Kaum hatten sich Wolfs Augen an
das gleißende Sonnenlicht gewöhnt, blieb er wie versteinert stehen. Was er sah,
war mehr als alarmierend: Wenige Meter entfernt, dicht an die Balustrade
gedrängt, stand Pohl, das Jagdhorn in der schlaff herabhängenden linken Hand,
den Kopf weit nach hinten gestreckt, und klammerte sich mit der rechten
verzweifelt an das Geländer. Auf seinem Hals lag die Spitze einer stählernen
Hellebarde, gehalten von einem schlanken, schwarz gekleideten Mann, der den
Neuankömmlingen den Rücken zukehrte.
    Wolf lief es abwechselnd heiß und kalt über den
Rücken. Nun hatten sie ihn endlich, ihren Mörder – doch zu welchem Preis!
    Die Situation hätte kritischer nicht sein können:
Pohls Leben lag in der Hand dieses Mannes, und Wolf hatte im Augenblick keine
Ahnung, wie sie den Anwalt unverletzt oder doch zumindest lebend aus dessen
Gewalt befreien konnten.
    Wolf gab Marsberg ein Handzeichen, sich ruhig zu
verhalten, und sah sich um. Unweit der Tür verharrte Preuss, unschlüssig, ob er
von der Dienstwaffe in seiner Hand Gebrauch machen sollte – und gleichzeitig
bemüht, einen zweiten Mann im Kostüm eines Landsknechts daran zu hindern, sich
auf Pohl und den Täter zu stürzen.
    Was wurde hier eigentlich gespielt?
    Unvermittelt wandte sich der Schwarzgekleidete um. Mit
vor Erregung zitternder Stimme rief er: »Das ist eines dieser Schweine, das
sich vor der Kamera von Tammy und den anderen Mädchen bedienen ließ … nachdem
Hajek sie mit Drogen vollgepumpt hatte! Los, geben Sie’s schon zu …«
    Wolf war wie vor den Kopf geschlagen. Er hatte Philip
Reich inzwischen als Täter ausgeschlossen – nun stand er plötzlich vor ihnen
und drohte, Pohl umzubringen! Wie hatte er sich in dem Jungen so täuschen
können?
    In diesem Moment machte Philip mit der Waffe eine
schnelle Ausholbewegung. Doch noch ehe die Lanzenspitze Pohl gefährlich werden
konnte, geschah etwas Unerwartetes: Der Anwalt hatte sich den Moment der
Ablenkung zunutze gemacht, mit beiden Händen die stählerne Spitze der
Hellebarde gepackt und sie von sich gestoßen. Fast im selben Augenblick kehrte
er die Bewegung um, ein kräftiger Zug brachte den Angreifer aus dem
Gleichgewicht. Schnell ließ der Anwalt nun den Lanzenschaft los und landete
einen gezielten Schlag auf das Kinn seines Gegners. Es knackte einmal hässlich,
dann ging Philip zu Boden. Schon war Preuss über ihm, drehte ihn auf den Bauch
und zog ihm die Arme auf den Rücken. Eine Handschelle klickte –

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