Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
Vom Netzwerk:
die Eltern von Tammy, dann will er noch kurz
im Bodensee-Internat vorbeischauen und mit Tammys Freunden sprechen.«
    Wolf schob sich das letzte Stück Dinnele in den Mund.
»Und Preuss?«, wandte er sich kauend an Marsberg.
    »Vergewissert sich noch einmal, dass der Turm sauber
ist. Die restlichen Männer sind über den Münsterplatz und die umliegenden
Gassen verteilt.«
    »Gut so! Uhrenvergleich: Es ist jetzt sechs Minuten
nach neun. Lasst uns ebenfalls unsere Positionen einnehmen. Funkverkehr,
Meldungen und gegebenenfalls Zugriff wie besprochen.«
    Wolf
machte sich nichts vor: Es würde äußerst schwierig werden, in dem Durcheinander
auf dem Münsterplatz eine bestimmte Person aufzuspüren – eine Person, die sie
nicht kannten und deren Vorhaben sie allenfalls ahnen konnten.
    Zwischen ihrem Beobachtungsposten im Reisebüro und dem
Münster lagen nicht mehr als dreißig Schritte. Obwohl auf dem Platz mehrere
alte Kastanienbäume standen, hatten sie freie Sicht auf die Turmpforte. Wegen
des Promenadenfestes parkten hier nämlich heute keine Fahrzeuge, und man hatte
den samstäglichen Bauernmarkt an eine andere Stelle verlegt. Ein Problem
bereiteten jedoch die zahlreichen Menschen, die trotz der frühen Stunde
durcheinanderwuselten und eine visuelle Personenkontrolle erschwerten.
    Wolf und Marsberg hatten vereinbart, dass einer von
ihnen ständig den Turmzugang im Auge behielt. Währenddessen sollte der andere
die Passanten unter die Lupe nehmen. Alle zehn Minuten wollten sie sich
abwechseln. Das sicherte dem kritischsten Punkt, nämlich der Turmpforte, stets
ihre volle Aufmerksamkeit.
    So eindrucksvoll der Münsterturm das Überlinger
Stadtbild überragte, so unscheinbar war sein Zugang: Man betrat den Turm durch
eine schmale, schmiedeeiserne Pforte, die völlig unauffällig in ein etwa drei
Meter langes Gitter derselben Bauart integriert worden war. Zu allem Überfluss
verwehrte eine dahinter angebrachte, stark verwitterte mannshohe
Holzverkleidung den Blick auf die eigentliche Eingangstür. Kein Schild wies auf
den Zugang hin; wer ihn nicht kannte, lief achtlos daran vorüber.
    Wolf trat ungeduldig von einem Fuß auf den andern. Als
stünde sie neben ihm, vernahm er Jos Stimme in seinem Ohrhörer: »Ihr bekommt
Besuch.«
    Schon knarzte die Holztreppe, Sommer tauchte in der
Tür auf. Er trug denselben Mantel wie in der vergangenen Nacht. Nach einer
kurzen Begrüßung spähte er vorsichtig aus dem Fenster.
    »Was Neues?«
    »Nichts, wenigstens bis jetzt. Allerdings haben wir
noch nicht mal halb zehn, und Pohl ist auch noch nicht da.«
    »Wie sieht’s im Turm aus?«
    »Wurde mehrmals genau durchsucht«, gab Marsberg
zurück, »der ist sauber. Wir haben Preuss hinter der Pforte platziert, an dem
kommt keiner vorbei. Sollte es nötig sein, kann er innerhalb von Sekunden
Verstärkung rufen.«
    »Du kennst das Innere des Turms, Ernst?«, fragte Wolf.
    »Wenn ich ehrlich sein soll, liegt mein letzter Besuch
viele Jahre … ach, was sag ich: Jahrzehnte zurück.«
    »Das Turminnere ist sehr übersichtlich. Es führt eine
Holztreppe bis zum Glockengestühl hinauf, immer an der Außenmauer entlang«,
erläuterte Wolf und ließ währenddessen seine Augen über den Münsterplatz
schweifen. »Nur an einer Stelle geht eine Tür ab; sie führt in das Dachgestühl
des Langschiffes und ist praktisch immer verschlossen. Die Schlüssel dazu
werden normalerweise im Pfarramt verwahrt und nur herausgerückt, wenn
Reparaturen anstehen. Im Augenblick sind sie hier.« Er klopfte mit der Hand an
seine Jackentasche. »Ein Versteck könnte, wenn überhaupt, höchstens das
unübersichtliche Glockengestühl bieten, deshalb haben wir das besonders
gründlich abgesucht.«
    »Jetzt erinnere ich mich wieder: Eine Etage weiter,
und man erreicht den Ausstieg auf die Plattform, richtig?«
    »Genau.«
    Sie wurden von Jo unterbrochen: »Achtung, Pohl kommt!«
Wolf schaltete sein Mikro ein und wiederholte die Warnung für alle an der
Aktion beteiligten Beamtinnen und Beamten.
    Sommer sah auf seine Uhr. »Erst halb zehn. Der Mann
ist ein bisschen früh dran, oder?«
    Doch er bekam keine Antwort. Marsbergs und Wolfs
ungeteilte Aufmerksamkeit galt dem von links auf den Platz rollenden Taxi, das
sich im Schritttempo einen Weg durch das Gewimmel bahnte. Mit einem halblaut
gemurmelten »Dann macht’s mal gut!« verabschiedete sich Sommer.
    Der Taxifahrer stieg an der Turmpforte aus, lief
eilfertig um den Wagen und öffnete die Beifahrertür. Dort nahm er

Weitere Kostenlose Bücher