Seefeuer
handelt es sich?«
»Natürlich sind alle Angaben inoffiziell, bis die
Autopsie abgeschlossen ist. Jedenfalls soll – Stand heute – der
Blutalkoholspiegel bei zwei Komma zwei Promille gelegen haben. Was das
Rauschgift betrifft: Da war sich Dr. Reichmann noch nicht sicher. Auf Nachfrage
stimmte sie allerdings zu, dass es sich um die neue Partydroge Crystal handeln
könnte.« Er fasste kurz zusammen, was er am frühen Morgen von Sommer erfahren
hatte.
»Kaum fünfzehn – und nimmt so ‘n Zeug! Ja ist denn die
Jugend noch zu retten?«, stöhnte Jo.
»Selbst schuld. Keiner zwingt sie dazu«, winkte
Kalfass gelangweilt ab.
»Stimmt. Trotzdem müssen wir uns die Frage stellen, ob
sie das Zeug freiwillig genommen hat«, griff Wolf Kalfass’ Einwand auf. »Und wo
es herstammt. Was mir aber überhaupt nicht in den Kopf will: Wie kann eine
Taucherin dieses Zeug einnehmen? Ich meine, wer einen Tauchgang plant und zuvor
Rauschgift und Alkohol konsumiert, der hat doch nicht alle Tassen im Schrank,
oder lieg ich da schief?« Die letzten Worte waren an Jo gerichtet.
»Seh ich genauso«, sagte sie, während sie sich und
Kalfass Kaffee nachgoss. »Das passt nicht zusammen. Mir fällt dazu noch etwas
anderes ein, Chef. Erinnern Sie sich, was ich über den Taucheranzug gesagt
habe?«
»War ein sogenannter ›Trockenanzug‹, richtig?«
»Genau, ein Anzug, der eigentlich nur von erfahrenen
Tauchern benutzt wird. Und sie hatte keine Füßlinge
an.«
»Füßlinge?«, echote Kalfass.
Irgendwie tat es Wolf gut, dass Kalfass offenbar auch
nichts mit dem Begriff anzufangen wusste. »Das sind so dünne Schuhe, die
Taucher unter ihren Flossen tragen«, dozierte er und verzog keine Miene.
Jo musste lachen, wurde jedoch schnell wieder ernst.
»Sie haben natürlich recht, Chef: Niemand würde vor einem Tauchgang Alkohol
trinken oder gar dieses Zeugs schlucken. Und kein halbwegs erfahrener Taucher
würde ohne Füßlinge auf einen Tauchgang gehen.«
»Moment mal«, fuhr Kalfass hoch. »Zu Ende gedacht
hieße das ja, dass die Kleine überhaupt nicht vorhatte zu tauchen – willst du
das damit sagen?«
»Es ist zumindest denkbar«, warf Wolf ein und holte
seine Zigaretten hervor. Als Jo die rechte Augenbraue hob, steckte er sie
seufzend wieder ein. »Also, dann lasst uns mal ganz pragmatisch vorgehen. Mit
wem haben wir es zu tun?«
»Mit einer engelsgleichen toten Fünfzehnjährigen, die
auf teuflische Weise mit Alkohol und Rauschgift vollgepumpt war …«, sagte Jo.
»… oder vollgepumpt wurde .
Weiter: Was fällt uns an ihr sonst noch auf? Ludger?«
»Nun, sie trug eine Taucherausrüstung …«
»… die jedoch unvollständig ist und mit
Sicherheit nicht ihrem Leistungsstand entspricht«, vollendete Jo Ludgers Satz.
»Richtig!«, pflichtete Wolf ihr bei. »Damit hätten wir
die wichtigsten Fakten. Stellen wir uns die jetzt mal als Puzzleteile vor, die
im Moment noch nicht recht zusammenpassen wollen – was tun wir? Wir schieben
sie so lange hin und her, bis sie sich ineinanderfügen und ein stimmiges Bild
ergeben. Also, wer fängt an?«
Wieder meldete sich Jo als Erste zu Wort. »Das Mädchen
hatte Alkohol und Drogen genommen, und das nicht zu knapp. Da stellt sich die
Frage: Hat sie das im stillen Kämmerlein getan oder mit anderen zusammen?«
»Genau!«, warf Kalfass ein. »Süchtige sind wie … na
ja, ein bisschen wie Herdentiere. Will sagen: Sie frönen, wenn ich recht
informiert bin, ihrer Sucht häufig in Gesellschaft. Sollte das auch in unserem
Fall zutreffen, dann hieße das, die Leute um die Kleine herum … ja, die hätten
doch mitbekommen müssen, dass sie zu viel eingeworfen hat. Kann es sich bei
diesen Leuten um einen Tauchclub gehandelt haben?«
»Ausgeschlossen! Alkohol und Tauchen, das ist wie
Feuer und Wasser – von Drogen ganz zu schweigen.«
»Gut, weiter!«, forderte Wolf.
Nach kurzem Nachdenken fuhr Jo fort: »Ich komme immer
mehr zu der Überzeugung, dass man der Kleinen die Taucherausrüstung erst nach
ihrem Tod verpasst hat.«
»Ist das zu schaffen, eine Tote in einen engen
Taucheranzug zu zwängen?«, zweifelte Kalfass.
»Das ist es ja eben«, fuhr Jo mit zunehmendem Eifer
fort. »Mit einem normalen Taucheranzug nicht – mit einem Trockenanzug schon.
Versteht ihr, deshalb hatte sie ein solches Ding an! Und da man keine passenden
Füßlinge zur Hand hatte, hat man ihr die Flossen einfach so übergezogen.«
»Aber warum dieser Aufwand?«, meldete Kalfass erneut
Zweifel an. »Warum hat
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