Seefeuer
Hanno?«
»Ich sollte mich doch noch einmal um Tamara Reichs
persönliches Umfeld kümmern. Heute früh hab ich also ein weiteres Mal mit den
Leuten vom Bodensee-Internat gesprochen, anschließend war ich bei Tammys
Eltern. Von einer näheren Bekanntschaft des Mädchens zu einem Mann, ganz zu schweigen
von einer intimen Liebesbeziehung, wollte nach wie vor niemand etwas wissen.
Kein Wunder, war ja bis vor Kurzem auch fast noch ein Kind, die Kleine. Als ich
nachbohrte, fiel Tammys Mutter schließlich ein junger Mann ein, der ihr eine
Zeit lang nachgestellt haben soll. Die Sache liegt wohl schon zwei, drei Jahre
zurück, angeblich handelte es sich um einen ehemaligen Mitschüler. Ich habe
dann bei der Internatsverwaltung nachgeforscht, und was soll ich Ihnen sagen:
Die haben die Geschichte bestätigt, wenn auch quasi hinter vorgehaltener Hand.
Muss damals eine Menge Staub aufgewirbelt haben, der Fall. Die intensiven
Nachstellungen des Schülers haben letztlich zu seinem Ausschluss aus dem
Internat geführt.«
»Und – wie hieß der Mann?«
»Jetzt halten Sie sich fest, Chef: Es war Manfred
Schönwald!«
11
Nach einem arbeitsreichen Samstag, an dem
sie diverse Leute verhört, Schönwalds Dienstpläne geprüft, seinen Wagen samt
seinem Spind im Umkleideraum der Feuerwache durchsucht und vor allem seine
gesamte Wohnung auf den Kopf gestellt hatten, war alles wie von allein an
seinen Platz gefallen. Sosehr sie zuvor im Dunkeln gestanden hatten, so klar
war der Fall, nachdem der wahre Täter identifiziert war. Jetzt konnten sie
endlich mit Beweisen aufwarten! Trotzdem sah Wolf der von Sommer anberaumten
Pressekonferenz am Montagvormittag mit gemischten Gefühlen entgegen.
Bei dem Gedanken an die Pressekonferenz fiel ihm Karin
Winter ein. Herrgott noch mal, die Winter! Ums Haar hätte er ihre Abmachung
vergessen! War ohnehin verwunderlich, dass sie sich nicht schon längst gemeldet
hatte. Andererseits – wie hätte sie das tun sollen, nachdem er sich den ganzen
Tag über so gut wie nie in seinem Büro aufgehalten und bereits nach dem ersten
zudringlichen Reporteranruf sein Handy ausgeschaltet hatte? Kein Zweifel, da
hatte er etwas gutzumachen.
»Hallo, Frau Winter, störe ich?«
»Na, Sie sind gut! Ich versuche seit Stunden, Sie zu
erreichen, und da fragen Sie, ob Sie stören.«
»Bin eben ein höflicher Mensch …«, meinte Wolf
lachend.
»Ein höflicher Mensch, der es versteht, sich perfekt
abzuschotten, und das im unpassendsten Moment«. Sie tat vorwurfsvoll, musste
aber gleich darauf selbst lachen.
»Ihre lieben Kollegen machen’s einem aber auch nicht
leicht, Frau Winter«, verteidigte sich Wolf. »Sie können sich auf die Fahnen
schreiben, Ihren Berufsstand gerettet zu haben.«
»Aha, die Pressekonferenz wirft ihre Schatten voraus,
habe ich recht?«
»Sie sagen es. Wird Zeit, dass ich mich ein bisschen
ablenke. Ich lade Sie ein, dann können wir reden. Sie haben ohnehin noch eine
Einladung gut bei mir.«
»Nichts lieber als das. Wann und wo?«
»Wie wär’s mit gleich? Drüben im Galgenhölzle?«
»Unter den Augen meiner Reporterkollegen? Das wollen
Sie sich antun?« Sie kicherte.
»Hm … Sie haben recht, das wäre nicht so gut. Wo haben
Sie Ihren Wagen abgestellt?«
»Während des Promenadenfestes oben im Parkhaus
Wiestorstraße. Warum?«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns nach Hagnau zu
kutschieren? Dort weiß ich eine gemütliche Straußwirtschaft, da können uns Ihre
und meine Kollegen kreuzweise den Buckel runterrutschen.«
***
Der
Burgunderhof nordwestlich von Hagnau lag inmitten ausgedehnter Weinberge und
Obstanlagen. Spätestens seit der Verlagerung des Betriebes aus dem engen
Ortskern hierherauf zählte er zu den ersten Adressen an diesem Seeabschnitt.
Vor allem Weinkenner und ganz besonders die zahlreichen Liebhaber der
Straußwirtschaften kehrten Jahr für Jahr im Herbst hier ein. Auch Wolf war
häufiger Gast auf dem Burgunderhof. Er schätzte – neben den selbst angebauten
Seeweinen – besonders die behagliche Atmosphäre des Hauses und dessen freie
Lage hoch über dem See.
Zielsicher steuerte er, mit Karin Winter im
Kielwasser, die weitläufige Terrasse an und ließ sich von der Wirtstochter
einen etwas abseitsstehenden Zweiertisch zuweisen, an dem sie sich ungestört
unterhalten konnten.
»Einfach traumhaft«, bemerkte Karin, die zum ersten
Mal hier oben war und die Augen verzückt über den See schweifen ließ, der im
herbstlich-goldenen Abendlicht zu ihnen
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