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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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Entkräftung, war es Selbstaufgabe? Wolf
vermochte es nicht zu sagen. Hilflos musste er zusehen, wie sich die Hände des
Mannes wie in Zeitlupe lösten, wie sie von dem blanken, kupfernen Rohr glitten
und verzweifelt nach einem Halt suchten. Aber da war nichts mehr.
    Mit einem gellenden Schrei stürzte der Mann in die
Tiefe.
    ***
    Auf
dem Münsterplatz herrschte das blanke Chaos. Kaum hatte Wolf den Turm
verlassen, schon stand er im Scheinwerferlicht. Eine Fernsehkamera nahm ihn
aufs Korn, Mikrofone reckten sich ihm entgegen, Stimmen riefen durcheinander.
    »Herr Hauptkommissar, was können Sie uns zu dem
tödlichen Absturz vom Münsterturm sagen? War es ein Unfall? Wurde der Mann
hinabgestoßen? Warum ist die Kripo involviert? …«
    »Kein Kommentar! Bitte lassen Sie mich durch!« Mit
Gewalt musste er sich durch die Reportermeute zwängen, auch Karin Winter war
darunter. Mit einem kaum merklichen Nicken ging er an ihr vorüber.
    Noch während er sich fragte, auf welche Weise die
Medienleute Wind von der Sache bekommen hatten, hielt er Ausschau nach seinen
Kollegen. Nichts! Es war, als hätte sie die Menschenmenge verschluckt. Für
einen kurzen Augenblick sah er einen Streifenpolizisten, wenig später einen
zweiten. Verzweifelt bemühten sich die beiden Beamten, die Neugierigen
zurückzudrängen und eine Absperrung zu errichten. Im Nachhinein betrachtet,
hatte er nach der Festnahme von Philip Reich wohl etwas zu voreilig sämtliche
Kollegen weggeschickt. Wie hätte er eine solche Entwicklung aber auch ahnen
können?
    »Leo, hierher!« Mit erhobenem Arm winkte ihn Marsberg
heran. Jetzt sah er auch Jo und Preuss, die eine am Boden liegende Gestalt
umstanden. Wolf trat hinzu und bat sie, ihm die Medienleute vom Hals zu halten.
Dann beugte er sich über den Toten – es gab nicht den geringsten Zweifel, dass
der Mann da am Boden mausetot war. Zwar waren außer dem entstellten Gesicht
keine äußeren Verletzungen zu erkennen, doch sprachen die grotesk verrenkten
Gliedmaßen des Opfers Bände. Neben der Leiche kniete ein Mann mit einer
schwarzen Ledertasche. Auf der Rückseite seiner leuchtend roten Weste stand » NOTARZT« .
    »Wieso ist der Doc schon hier?«, fragte Wolf seine
Kollegen.
    »Er hat Bereitschaft. War zufällig wegen des
Promenadenfestes in der Nähe des Münsters, als der Sturz erfolgte«, klärte
Marsberg ihn auf. »Übrigens wird auch die Spurensicherung gleich da sein.«
    Der Arzt erhob sich. Er zuckte mit den Schultern:
Nichts mehr zu machen, sollte das heißen.
    Aus einiger Entfernung vernahm Wolf plötzlich
aufgeregtes Rufen: »Chef, Chef!« Wolf glaubte, die verschnupfte Stimme mit dem
leidenden Timbre zu erkennen. Tatsächlich, schon zwängte sich Hanno Vögelein
durch die Menge der Gaffer. »Chef, da sind Sie ja! Ich muss Sie dringend
sprechen. Stellen Sie sich vor …«
    Wolf unterbrach ihn mit einer knappen Handbewegung.
»Moment!« Etwas anderes hatte seine Aufmerksamkeit erregt.
    Ungläubig starrte er auf den Toten. War es
Wirklichkeit oder narrte ihn seine Fantasie? Er hatte den Mann oben am
Wasserspeier hängen sehen, hatte ihm für einen Moment sogar ins Gesicht
geblickt, hatte Preuss vergeblich geholfen, ihm das Leben zu retten – und ihn
doch nicht erkannt. Wolf beugte sich tiefer, versuchte, sich das Gesicht ohne
die grässliche Wunde und das verkrustete Blut vorzustellen. Nein, jeder Irrtum
war ausgeschlossen: Der Tote vor ihm war niemand anders als Manfred Schönwald,
Feuerwehrmann und Brandsachverständiger des Bodenseekreises.
    Unvorstellbar! Er sollte ihr
lang gesuchter Mörder sein? Über Tage hinweg hatten sie mit Schönwald
zusammengearbeitet, hatten ihn an ihrer Seite gesehen und seine Erkenntnisse in
ihre Ermittlungsarbeit einbezogen. Und jetzt stellte sich heraus, dass der Mann
ein doppeltes Spiel getrieben, dass er sie die ganze Zeit über zum Narren
gehalten hatte!
    Völlig konsterniert richtete Wolf sich auf, suchte
Marsbergs Blick. »Das darf doch nicht wahr sein!«, murmelte er tonlos.
    »Tja, Leo, er ist es. Schönwald ist unser lang
gesuchter Mörder.« Auch Marsberg schien mitgenommen. »Kein Wunder, dass wir so
lange auf der Stelle traten!«
    »Genau das versuche ich Ihnen gerade zu erklären,
Chef«, mischte sich Vögelein noch einmal ein. Abermals wurde er durch eine
Handbewegung zum Schweigen gebracht. Kopfschüttelnd starrte Wolf auf den
leblosen Körper zu seinen Füßen, bevor er sich wieder auf seine Umgebung
besann.
    »Entschuldige, was wolltest du sagen,

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