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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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sehr unwahrscheinlich«, fand auch Strobl.
    Der Kommissar bedachte ihn mit einem strafenden Blick. Dass er in seiner Anwesenheit der Füssener Kollegin Recht gab, ärgerte ihn.
    »Sicher, nicht sehr wahrscheinlich. Aber dass da noch ein zweiter Taucher war, ist auch nicht gesagt. Wenn es verboten war, dort zu tauchen, wollte er vielleicht lieber allein hin«, parierte der Kommissar.
    Die anderen blieben stehen. Kluftinger sah auf und bemerkte, dass sie inzwischen den Souvenirladen erreicht hatten.
    »Appell’s-Souvenier’s« stand auf einem geschnitzten Holzschild, das über der Tür hing. Kluftinger verzog das Gesicht. Dieser permanent falsche Gebrauch des Genitiv-S in Verbindung mit einem Apostroph verursachte ihm beinahe körperliche Schmerzen. Dass die Rechtschreibreform das jetzt »legalisieren« wollte, machte die Sache in seinen Augen nicht besser. Vor allem bei Krimskrams-Läden, Handyshops und Frisörgeschäften schien der schlampige Umgang mit der deutschen Sprache zum guten Ton zu gehören. Jeder, der »hip« sein wollte, eiferte der englischen Sprache nach – mit oft haarsträubenden Folgen. »Ronny’s Bierstüble« und »Hilde’s Wurstbude« waren noch die harmloseren Beispiele. Einmal hatte er auf einem Markt tatsächlich ein Schild gesehen, das auf frisch zubereitete »Hot Dog’s« hinwies. Davon hätten wohl sogar die Amerikaner Magenweh bekommen.
    Dass hier auch noch »Souvenir« falsch geschrieben war, hätte Kluftinger beinahe übersehen. »Auf geht’s«, sagte er schließlich und musste lachen, als er an die Schreibweise dieser Aufforderung dachte. Die anderen sahen ihn fragend an, doch er schüttelte nur den Kopf.
    Als er den Laden betrat, gefror sein Grinsen. Er hatte nur ein Klischeebild von Souvenirläden im Kopf: In seiner Vorstellung quollen sie über vor Krimskrams, hatten enge Gänge, die mit geschmacklosem Kitsch voll gestellt waren, und waren voller Touristen, die all diesen Krempel kauften. Der, den er gerade betreten hatte, quoll über vor Krimskrams, die engen Gänge waren voll gestellt mit geschmacklosem Kitsch und ein Japaner stand an der Kasse und ließ geräuschvoll mindestens ein Dutzend Schweizer Messer auf die Theke fallen. Kluftinger musterte die Regalwände. Zu viele Details verhinderten, dass sein Blick irgendwo hätte haften bleiben können. Er wanderte vorbei an kristallenen Schwänen, König-Ludwig-Kaffeetassen, König-Ludwig-Armbanduhren und rosafarbenen Plüsch-Pantoffeln mit gesticktem König-Ludwig-Konterfei. Eine Gänsehaut bekam er beim Anblick eines Bierkrugs mit Zinndeckel und goldenem Krönchen: Reliefartig trat daraus ein Schwan hervor, auf dessen Bauch sich Schloss Neuschwanstein erhob.
    Gleich daneben standen Schneekugeln in allen Variationen, die entweder putzige Versionen von Schloss Neuschwanstein, Pferdekutschen oder den Thron von König Ludwig mit Kunstschnee berieselten. Kluftinger bezweifelte, dass es jemals auch im Schloss geschneit hatte, doch solche Details schienen außer ihn hier niemanden zu kümmern. Ihn erinnerten die mit Flüssigkeit gefüllten Kugeln stark an die »Trophäensammlung« in Willi Renns Büro. Nur waren es dort Finger, Hände und der Teil eines menschlichen Kiefers, die in gelblicher Lösung für die Nachwelt konserviert wurden. Es schauderte ihn jedes Mal, wenn sein Blick auf die eingelegten Körperteile fiel. Dasselbe Schaudern befiel ihn auch jetzt. Je länger er auf die glänzenden Glaskugeln starrte, desto mehr kam ihm deren Inhalt ebenso leblos vor: das kitschige Schloss, die Allgäuer Hügellandschaft zur Postkartenidylle degradiert, konserviert und eingelegt. Hier wurde nicht Heimat verkauft, dachte er sich. Hier wurde die Heimat verkauft.
    Kluftinger ging an einem langen Regal vorbei, in dem sich »Leuchthäuser« stapelten, die laut Zertifikat allesamt aus Rothenburg ob der Tauber stammten und romantische Fachwerkhäuschen in Franken darstellten. Hier, mitten im Allgäu, fanden sich neben dem Weißenburger Rathaus und der Nürnberger Burg auch der »Nachtwächterturm« aus Dinkelsbühl. Scheinbar musste man sich gar nicht mehr die Mühe machen, in die Orte selbst zu reisen – überall gab es mittlerweile denselben Quatsch. Auf die Häuschen folgten einige kulinarische Highlights wie Nürnberger Bratwürstchen und Münchener Weißwürste in der Dose. Immerhin: Die Kässpatzen gab es noch nicht in der Blechbüchse.
    Dann fiel Kluftingers Blick auf eine besondere Abart des Souvenirgeschäfts: Vor ihm stand ein

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