Seegrund
weißer Bierkrug, dessen Flanke das Konterfei des verstorbenen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß zierte. Spielte der, fünfzehn Jahre nach seinem Tod, bereits in der »König-Ludwig-Liga«? Kluftinger packte die Neugier. Auf dem Zinndeckel prangte ein Bayerischer Löwe, unter dem farbigen Bild, das Strauß an seinem Schreibtisch zeigte, standen die Worte: »In dankbarer Erinnerung unserem Ministerpräsidenten«. Kluftinger öffnete den Deckel und sah in den Krug hinein. Dort hatte man dem verstorbenen Politiker eine Sprechblase mit dem Text »Oans geht no« verpasst und im Deckel fand sich in Kursivschrift in das Zinn geprägt: » Everybody’s darling is everybody’s Depp. F.-J. Strauß. « Beim Blick auf das Preisschild blieb Kluftinger dann endgültig die Luft weg: vierundneunzig Euro! Hier gab es nur einen Deppen: den Käufer.
Plötzlich zuckte er zusammen, denn eine Frau stieß einen schrillen Schrei aus und zeigte mit dem Finger auf eine Kuckucksuhr an der Wand. Sie hatte gerade zur vollen Stunde geschlagen und aus dem Türchen fuhr eine rosafarbene Kutsche, deren Passagier einen mit Hermelin besetzten blauen Mantel trug. Dazu klingelte die Uhr die ersten Takte der Bayernhymne.
»Die muss ich haben«, seufzte die Frau verzückt, »irgendwas Typisches müssen wir mit nach Hause bringen.«
Kluftinger hätte gute Lust gehabt, sie einer ausführlichen Personenkontrolle zu unterziehen, aber der Schock saß zu tief. So stimmte er nur in das Seufzen der Frau ein und sagte halblaut zu sich selbst: »Allgäuer Kuckucksuhren. Wahrscheinlich aus frischem Kuhhorn, dafür sind wir ja berühmt.«
»Was ist berühmt?«, fragte Strobl, der sich unbemerkt zum Kommissar gesellt hatte.
»Ach nix. Was hast du da?«
»Neuer Trend, kennst du die schon?« Er hielt dem Kommissar einen Packen Bücher unter die Nase. »Allgäu-Krimis«, sagte er in feierlichem Tonfall. »Jetzt werden wir berühmt!«
»Das hat uns grad noch gefehlt.« Kluftinger, schüttelte den Kopf und ging zur Kasse.
Dort versuchte der Verkäufer gerade dem Japaner klarzumachen, dass er die Mehrwertsteuer bei der Ausreise nicht zurückbekommen werde. Dennoch ließ der sich vom »No. Nix back, money bleibt hier« nicht die Laune verderben und legte zu den fünfzehn Schweizermessern noch eine hellblaue Büste des Märchenkönigs, die, so der Verkäufer, je nach Wetterlage die Farbe ändern könne.
»When it’s bad, wird’s rosa. Pink, you know?«
Der Asiate nickte lächelnd und kramte seinen Geldbeutel heraus.
»So einen Scheißdreck kann man auch nur den Japsen andrehen«, flüsterte Strobl dem Kommissar ins Ohr.
Kluftingers Gesicht verfärbte sich. Der Zwiespalt, in dem er sich befand, entlud sich in einem Wutanfall. »Himmelherrgott, Eugen, wie redest denn du daher. Man könnt dich grad für einen Rassisten halten.« Strobl, der ihn völlig entgeistert anstarrte, tat ihm sofort leid.
»Weißt du«, sagte Kluftinger in versöhnlicherem Ton, »die haben nicht sehr viel Urlaub, das muss man verstehen. Die können nur einen oberflächlichen Blick auf unser Land werfen und sind doch froh, wenn sie eine Erinnerung mit nach Hause nehmen.« Immer wenn er »die« sagte, dachte er dabei an Yumiko.
Strobl zuckte nur mit den Achseln: »Wenn du meinst …«
Kluftinger beobachtete fasziniert den Asiaten, der die Figur wie ein Baby in der Armbeuge aus dem Geschäft trug und sie dabei mit leuchtenden Augen ansah. Da kam ihm eine Idee.
»Der Appel wär jetzt frei«, hörte er Friedel Marx drängende Stimme hinter sich.
Kluftinger wandte sich dem Inhaber des Souvenirladens zu. Ob der tatsächlich der Vorsitzende des Tauchclubs war? Der kleine Mann, der das Rentenalter schon längst überschritten haben musste, stand leicht gebeugt vor ihnen und erinnerte ihn irgendwie an Dagobert Duck. Sobald ein Tourist den Laden betrat, schienen in seinen Augen Banknoten aufzuleuchten. Misstrauisch musterte der seinen Besuch. Einheimische gehörten wohl nicht gerade zur Stammkundschaft.
»Was gibt’s«, raunzte er sie über den Tresen an.
Der Kommissar stellte sich und seine Kollegen vor. Er zeigte dem Verkäufer das Foto des Verletzten, auf dem man gut das Zeichen erkennen konnte, das der in den Schnee gemalt hatte, was dieser sofort mit einem »Kenn ich nicht« quittierte.
»Immer mit der Ruhe, ich hab Sie doch noch gar nicht danach gefragt.«
»Wollten Sie mich vielleicht nicht danach fragen?«
»Das schon, aber …«
»Also: Kenn ich nicht!«
»Wollen Sie nicht
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