Seehaie
geträumt hat. Den
Fährangestellten, der den Toten entdeckte, lassen wir mal außen vor; der arme
Kerl steht vermutlich immer noch unter Schock. Und noch etwas: Der Tote muss
hierher zur gerichtsmedizinischen Untersuchung. Bitte veranlasse das.«
»Ist bereits erledigt«, sagte Kalfass und wurde gleich
drei Zentimeter größer. Wenigstens in diesem Punkt war er seinem Chef voraus,
das tat gut!
7
Sie stiegen in den feuerroten Porsche 911,
Ludgers ganzen Stolz. Genau genommen hatte die Kiste schon gute neun Jahre auf
dem Buckel, doch das machte nichts – auf die Marke kam es an! Wolf wusste, dass
sich Kalfass gerne mit derlei Attributen umgab. Nach seiner Auffassung
streichelten sie die Seele und hoben ihren Besitzer aus der Masse heraus. Und
auch wenn Kalfass sich das niemals eingestehen würde: Vermutlich hielten sie
seine Freundin bei der Stange.
Wolf hatte sich auf eine waghalsige Fahrt nach
Markdorf vorbereitet. Umso erstaunter war er, dass Kalfass relativ verhalten
fuhr – jedenfalls im Verhältnis zu Jos draufgängerischem Fahrstil. So konnte er
nach einer guten halben Stunde Fahrt gelassen in die zweite Begegnung mit
Karlheinz Hohmann gehen.
»Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen noch helfen könnte,
meine Herren«, sagte dieser bei dem neuerlichen Zusammentreffen. »Und ich bin
auch, ehrlich gesagt, überrascht, dass die Sache letztendlich bei der Kripo gelandet
ist. Stimmt vielleicht etwas nicht? Zweifeln Sie den Selbstmord an? Oder Yosips
Tod durch Herzversagen?«
»Keineswegs, Herr Hohmann. Unser Besuch ist reine
Routine, wir sind dazu verpflichtet, leider. Obwohl, ein bisschen merkwürdig
ist es schon, dass Sie an ein und demselben Tag gleich zwei Mitarbeiter
verlieren …«
»Was wollen Sie damit sagen?« Wolfs Provokation zeigte
offensichtlich Wirkung, Hohmann klang plötzlich hellwach.
»Na ja, zwei Ihrer Mitarbeiter, die einander sicher
kennen, kommen innerhalb von vierundzwanzig Stunden ums Leben – der eine
erhängt sich, der andere stirbt einen stillen Herztod, beides ohne Vorwarnung –
nicht gerade alltäglich, oder? Da könnten einfache Gemüter schon ins Grübeln
kommen.«
»Sie mögen es glauben oder nicht: Ich habe mir selbst
schon Gedanken gemacht, ob es da einen Zusammenhang gibt.«
»Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?«, ergriff
Kalfass die Gelegenheit, sich in das Gespräch einzuklinken.
»Nun, bei den Fernsehkrimis wird doch immer nach dem
Motiv gefragt, wer davon profitiert und so. Ich weiß, das klingt jetzt weit
hergeholt – aber wenn überhaupt jemand vom Ausfall meiner Fahrer profitieren
könnte, dann wären das meine Mitbewerber. Wir stehen unter einem wahnsinnigen
Termindruck, vor allem durch den Neubau des ›Corso‹. Das ist das neue
Tourismuscenter drüben in Konstanz, direkt an der Grenze bei Kreuzlingen, Sie
haben sicher davon gehört. Ein Riesenprojekt, und nicht unser einziges. Beim derzeitigen
Stand der Arbeiten bedeutet jeder Sechsunddreißigtonner weniger einen
erheblichen Zeitverlust. Da kann man schon auf die Idee kommen, es hätte jemand
nachgeholfen. Das klingt überspitzt, ich weiß …«
»Sie halten es für möglich, dass ein Konkurrent einen
Ihrer Fahrer oder vielleicht sogar beide ausschalten könnte, nur um Sie in
Zeitverzug zu bringen? Klingt wirklich ein bisschen weit hergeholt«, zweifelte
Wolf.
»Könnte man so sehen. Aber Sie haben gefragt …«
»Könnte es nicht sein, Herr Hohmann, dass Ihre
Konkurrenz deshalb nicht gut auf Sie zu sprechen ist, weil Sie sie ständig
unterbieten?«, fragte Kalfass.
»Wir unterbieten sie nicht, junger Mann, wir
kalkulieren einfach besser. Das ist ein großer Unterschied, wenn auch nicht im
Ergebnis, das muss ich zugeben.«
»Wie hat man sich das vorzustellen? Man sagt, Sie
würden mühelos jede Ausschreibung gewinnen, wenn Sie nur wollten«, hakte
Kalfass nach. Wolf ließ ihn gewähren, denn ihn interessierte die Antwort ebenfalls.
Er hatte sich in der Zwischenzeit etwas umgesehen. Hohmanns Büro war durchaus
stilvoll eingerichtet, er schien ein Faible für tropische Edelhölzer zu haben,
die sich ausnehmend gut mit dem kurzflorigen, dezent dunkelblau gemusterten
Teppichboden vertrugen. Auf einer Anrichte entdeckte Wolf ein Tablett mit
diversen Flaschen und Gläsern sowie ein kleines Fernsehgerät, an der Wand hing
ein Bild mit roten Pferden, die verdächtig nach Franz Marc aussahen und ganz
sicher keine Reproduktion waren, soweit Wolf das beurteilen konnte. Auf einem
Wandbord aus Rauchglas
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